Rz. 5
Der Arbeitgeber hat den Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Einzugsstelle zu zahlen (vgl. § 28e). Schuldner der Beiträge zur Sozialversicherung ist insofern ausschließlich der Arbeitgeber (BSG, Beschluss v. 30.3.2004,B 4 RA 24/02 R; BSG, Urteil v. 29.6.2000, B 4 RA 57/98 R; BGH, Urteil v. 16.5.2000, VI ZR 90/99). Er schuldet den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§ 28d) allein als originär eigene Schuld gegenüber der Einzugstelle (BSG, Urteil v. 29.6.2000, B 4 RA 57/98 R; BSG, Urteil v. 22.9.1988, 12 RK 36/86; BFH, Urteil v. 15.6.2023, VI R 27/20; BGH, Urteil v. 16.5.2000, VI ZR 90/99; vgl. auch BAG, Urteil v. 30.4.2008, 5 AZR 725/07; OLG Hamm, Urteil v. 8.4.2022, 25 U 42/20). Ihm steht gegen den Arbeitnehmer der Anspruch nach § 28g zwecks Ausgleich seiner Verpflichtung zu, den vollen Sozialversicherungsbeitrag zu zahlen (BAG, Beschluss v. 7.3.2001, GS 1/00). Die Einzugsstelle (§ 28e) erscheint nach außen – gegenüber dem Arbeitgeber in seiner Eigenschaft als Beitragsschuldner – als Inhaberin der Forderung (BSG, Urteil v. 29.6.2000. B 4 RA 57/98 R; BAG, Urteil v. 29.3.2001, 6 AZR 653/99). Zusammenfassend: Nach § 28e Abs. 1 Satz 1 hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen; den vom Beschäftigten zu tragenden Teil darf er nach § 28g Satz 2 zwar auf diesen abwälzen; nachgeholt werden darf dieser Abzug vom Arbeitsentgelt aber nur bei den nächsten 3 Lohn- und Gehaltszahlungen (§ 28g Satz 3).
Rz. 6
Der einzelne Arbeitnehmer hat für den Beitrag selbst dann nicht aufzukommen, wenn sein Arbeitgeber die Zahlungsverpflichtung nicht erfüllt (BGH, Urteil v. 16.5.2000, VI ZR 90/99). Dies gilt insbesondere nach der Ergänzung des § 28e Abs. 1 um Satz 2, denn der vom Arbeitnehmer zu tragende Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags gilt als aus dem Vermögen des Arbeitnehmers erbracht. Dieser Teil steht nicht zur Disposition des Arbeitgebers. Das Lohnabzugsverfahren ermöglicht dem Arbeitgeber lediglich, vom Arbeitnehmer den auf diesen entfallenden Teil der Sozialversicherungsbeiträge wiederzuerlangen.
Rz. 7
Für das arbeitsrechtliche Verhältnis zwischen dem beitragszahlenden Arbeitgeber und dem einzelnen pflichtversicherten Arbeitnehmer gibt das öffentliche Recht durch § 28g dem Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer das (auflösend bedingte) Recht zum sog Beitragsabzug. Die solchermaßen amtliche Überschrift des § 28g trifft den geregelten Sachverhalt nur ungenau. Tatsächlich geht es nicht um einen, irreführend so bezeichneten Beitragsabzug, sondern um einen Entgeltabzug (vgl. BSG, Urteil v. 29.6.2000, B 4 RA 57/98 R). Das bedeutet: Der Arbeitgeber darf kraft öffentlichen Rechts dem sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Lohn- oder Gehaltsanspruch des Arbeitnehmers den arbeitsrechtlichen Einwand entgegenhalten, dieser sei in Höhe des vom Beschäftigten zu tragenden (hälftigen) Teils des zu zahlenden (vollen) Pflichtbeitrags durch die Zahlung des Arbeitgebers an (z. B.) den Rentenversicherungsträger als Leistung an Erfüllungs statt erloschen (vgl. § 364 Abs. 1, § 362 Abs. 2 BGB). Insoweit ist dann Lohn/Gehalt vom Arbeitnehmer nicht mehr zu beanspruchen und vom Arbeitgeber nicht mehr zu zahlen. Der Arbeitgeber hat die Rechtsmacht zum Entgeltabzug (vgl. auch BGH, Urteil v. 16.5.2000, VI ZR 90/99). Der einzelne Arbeitnehmer erfährt eine konkrete Belastung seines Vermögens oder seiner vermögenswerten Rechte nur dann, wenn und soweit der Arbeitgeber diesen Erfüllungseinwand wirklich im Einzelfall erhebt. Anderenfalls erhält der Arbeitnehmer seinen vollen, nach Arbeitsvertrag geschuldeten Lohn (hierzu BSG, Urteil v. 29.6.2000, B 4 RA 57/98 R).
Rz. 8
Den durch § 28g eingeräumten Anspruch darf der Arbeitgeber "nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend" machen. Der Abzug hat Zug um Zug von der zeitgleich anfallenden Entgeltzahlung, andernfalls nur bei den 3 nächsten Lohn- oder Gehaltszahlungen zu erfolgen, danach nur, wenn er ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben ist oder wenn der Beschäftigte seine Auskunfts- oder Vorlagepflichten (§ 28o) verletzt hat. Entgegen dem sozialpolitischen Sprachgebrauch des Gesetzestextes hat der Arbeitgeber also gegen den Arbeitnehmer im Rechtssinne keinen "Anspruch" (§ 194 Abs. 1 BGB); denn er hat ausdrücklich kein Recht, vom Arbeitnehmer ein Tun (Zahlung) oder Unterlassen (z. B. teilweise Nichtgeltendmachung des Lohnanspruchs) zu verlangen. Kraft öffentlichen Rechts hat er hingegen die (auflösend bedingte) Rechtsmacht, einen besonderen Erfüllungseinwand (hierzu BAG, Urteil v. 30.4.2008, 6 AZR 725/02) gegen den arbeitsrechtlichen Entgeltanspruch des Arbeitnehmers zu erheben, wenn er seine eigene Schuld gegen die Einzugsstelle durch Zahlung der (vollen) Pflichtbeiträge erfüllt. Der Geldwert dieses Einwandes ist kraft öffentlichen Rechts der Höhe nach auf die Hälfte der zu zahlenden Pflichtbeiträge begrenzt (Arbeitnehmeranteil), falls der Arbeitgeber ihn erhebt. Damit ist die gesamte Beitragslast im rechtlichen Grundsatz sogar dann dem Arbeitgeber zugeordnet, wenn un...