Rz. 13
Vorschriften über die Versicherungspflicht, die eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht voraussetzen, sind z. B. § 5 Abs. 1 Nr. 9 bis 12 SGB V, § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V, § 3 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI, § 20 Abs. 1 Nr. 2, 5 bis 11 SGB XI). Vorschriften über die Versicherungsberechtigung, die eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht voraussetzen, sind z. B. § 9 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4, 5 SGB V, § 7 SGB VI, § 26 SGB XI. Die Begriffe "Wohnsitz" und "gewöhnlicher Aufenthalt" werden durch § 30 Abs. 3 SGB I für alle Regelungen definiert, in denen das Sozialrecht auf den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt verweist. Soweit daher materiell-rechtliche Regelungen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland voraussetzen oder daran anknüpfen, ist dieser nach § 30 Abs. 3 SGB I zu bestimmen (zum Begriff "Wohnort" vgl. auch EGVO 883/2004 Titel 1 Art. 1 Buchst. j).
Rz. 14
Wohnsitz ist der gewillkürte Lebensmittelpunkt; er setzt nach § 30 Abs. 3 Satz 1 SGB I das Vorhandensein einer Wohnung voraus, die zur dauernden Benutzung angelegt sein muss. Der Wohnsitz kann gleichzeitig an mehreren Orten bestehen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Lebensführung des Betreffenden mehrere Schwerpunkte hat und seine in den Orten befindlichen Wohnungen den Anforderungen des § 30 Abs. 3 Satz 1 SGB I gerecht werden. Auch bei einem längeren Auslandsaufenthalt kann der Inlandswohnsitz bestehen bleiben, sofern die bisherige Wohnung im Inland jederzeit zur Verfügung steht, der Betreffende nicht die Absicht hat, auf unabsehbare Zeit im Ausland zu verweilen, und seiner Rückkehr keine tatsächlichen Hindernisse entgegenstehen (BSG, Urteil v. 26.7.1979, 8b RKg 12/78).
Rz. 15
Nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Diese Definition gilt für alle sozialen Lebensbereiche des SGB, soweit sich nicht aus seinen übrigen Büchern etwas anderes ergibt (§ 37 Satz 1 SGB I). Wegen dieses Vorbehalts und der unterschiedlichen Funktion des Begriffs innerhalb einzelner Regelungsbereiche, kann der Begriff des "gewöhnlichen Aufenthalts" nur unter Berücksichtigung des Zwecks des jeweiligen Gesetzes bestimmt werden, in dem der Begriff gebraucht wird (BSG, Urteil v. 1.9.1999, B 9 SB 1/99 R, SozR 3-3870 § 1 Nr. 1). Ob ein gewöhnlicher oder vorübergehender Aufenthalt vorliegt oder wann ein vorübergehender Aufenthalt in einen gewöhnlichen Aufenthalt übergeht, sind überdies Tatfragen, die letztlich nur im Einzelfall entschieden werden können (zum gewöhnlichen Aufenthalt vgl. auch BSG, Urteile v. 29.5.1991, 4 RA 38/90; 30.9.1993, 4 RA 49/92, SozR 3-6710 Art. 1 Nr. 1; 9.8.1995, 13 RJ 59/93; 4.11.1998, B 13 RJ 9/98 R). Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes (ebenso wie der des Wohnsitzes) knüpft im gesamten Sozialversicherungsrecht (§ 1 Abs. 1; anders zum Kindergeldrecht BSG, Urteil v. 15.12.1992, 10 RKg 12/92) in erster Linie an die objektiv gegebenen tatsächlichen Verhältnisse an. Er setzt (bei Kollisionsnormen des "internationalen" Sozialrechts) vor allem voraus, dass der Betreffende im streitigen Beitrags- oder Leistungszeitraum den örtlichen Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse faktisch dauerhaft im Inland hat. Das bedeutet grundsätzlich auch, dass er sich in dieser Zeit überwiegend im Inland aufhalten muss. "Dauerhaft" ist dieser Aufenthalt, wenn und solange er nicht auf Beendigung angelegt, also zukunftsoffen ist. Dabei ist ein Domizilwille, der mit den sonstigen tatsächlichen Umständen nicht übereinstimmt, rechtlich unerheblich (BSG, Urteil v. 30.9.1993, 4 RA 49/92). Ein einmal begründeter gewöhnlicher Aufenthalt endet nicht schon dann, wenn sein Ende unmittelbar bevorsteht (vgl. BSGE 60 S. 262 = SozR 1200 § 30 Nr. 10). Insbesondere wird allein durch den Wunsch, an einem anderen Ort als dem bisherigen Aufenthaltsort Aufenthalt zu nehmen, noch nicht ein neuer gewöhnlicher Aufenthalt begründet. Ein Verweilen anlässlich eines Besuchs, einer Krankheit, eines Ferienaufenthaltes oder ein vorübergehender Aufenthalt reicht nicht aus.
Rz. 16
Soweit sich aus den §§ 7 bis 9 Abweichendes ergibt, geht dies vor. Das ist insoweit der Fall, als in § 30 Abs. 3 SGB I für die Begründung und Aufhebung des Wohnsitzes bzw. für den gewöhnlichen Aufenthalt auf tatsächliche Umstände abgestellt wird, während in §§ 7 bis 9 rechtliche Umstände maßgebend sind (Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, SGB IV, § 3 Rz. 9). Abweichend von § 3 Nr. 2 sind Bezieher von Lohnersatzleistungen (§ 3 Satz 1 Nr. 3) und Bezieher von Vorruhestandsgeld (§ 3 Satz 1 Nr. 4) auch dann versichert, wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben. Eine weitere Ausnahme betrifft Versicherte, denen Kindererziehungszeiten nach § 3 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 56 Abs. 3 Satz 2 und 3 SGB VI anzurechnen sind. § 3 Nr. 2 gilt ferner nicht, wenn spezielle Vorschriften über die Versicherungspflicht eine Beschäftigung oder Tätigkeit nicht voraussetzen...