Leitsatz
Die zulässigen Werte – 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft im Tagesmittel, nicht öfter als an 35 Tagen – sind schon länger europäisches und nationales Recht. Nun hat der EuGH entschieden, dass jeder Bürger gegen Kommunen, die die Einhaltung dieser Vorschriften ignorieren, klagen kann.
Sachverhalt
Auch einzelne Bürger können Behörden verpflichten, mit einem Aktionsplan etwas gegen eine Überschreitung der EU-Feinstaubgrenzwerte in ihrer Wohngegend zu unternehmen. Der EuGH will damit erreichen, dass "schrittweise zu einem Stand unterhalb"der unzulässigen Werte zurückgekehrt wird.
Die zuständigen Behörden müssen im Klagefall nicht nur auf Vorschläge des Klägers reagieren, sondern selbst Aktionspläne aufstellen, z.B. Umweltzonen einrichten oder Fahrverbote erlassen.
Sie sind allerdings – anders als der Kläger forderte – nicht verpflichtet, kurzfristig sicher zu stellen, dass es zu keinerlei Überschreitung der Grenzwerte mehr kommt, sondern müssen lediglich dafür sorgen, dass die Gefahr einer zu hohen Feinstaubbelastung"auf ein Minimum" verringert wird.
Seit 1.1.2005 darf nach einer EU-Richtlinie (1999/30/EG) die zulässige Konzentration von Feinstaub nicht öfter als an 35 Tagen im Jahr überschritten sein. Das gilt, anders als Städte bisher vorschützten, auch wenn für das betroffene Gebiet noch kein kommunaler Aktionsplan zur Reinhaltung der Luft vorliegt.
Dem Fall liegt die Klage eines Münchner Bürgers gegen den Freistaat Bayern zugrunde. Er wohnt an der Stadtautobahn Mittlerer Ring, hier lagen die Immissionen 2007 an 92 Tagen über dem Grenzwert. Er ließ vortragen, es sei nicht hinnehmbar und rechtswidrig, dass gar nichts zum Schutz vor Feinstaub geschehe und verlangte vom Freistaat die Aufstellung eines Aktionsplan zur Luftreinhaltung im Bereich der Landshuter Allee. Der Staat wollte nicht in Aktion treten.
Nach mehreren Instanzen hatte das BVerwG entschieden, dass das deutsche Recht, mit dem die EU-Feinstaubrichtlinie umgesetzt ist, einen Anspruch auf einen Aktionsplan nicht zulässt (Urteil v. 27.9.2007, 7 C 36/07). Ein Bürger müsse stattdessen konkrete Beschränkungen, z.B. des Straßenverkehrs, einklagen. Doch damit wären betroffene Bürger gezwungen "gegen jeden Straßenzug und jede Industrieanlage einzeln" gerichtlich vorzugehen, um Nutzungsbeschränkungen durchzusetzen, was in einer Großstadt unrealistisch wäre hielten Umweltschutzverbände dagegen.
Das BVerwG legte dann dem EuGH die Frage vor, ob Betroffene aus dem EU-Recht einen unmittelbaren Anspruch auf Aufstellung eines Aktionsplans herleiten können. Das bejahte nun der EuGH. Der Kläger hatte sich allerdings noch mehr erhofft. Er wollte auch die unbedingte Einhaltung der Feinstaubgrenzwerte erstreiten. Einen solchen Anspruch bestätigt das Urteil nicht.
Hinweis
Nach Angaben der EU-Kommission wird schon das vorgegebene Feinstaub-Limit derzeit in 26 der 27 Mitgliedstaaten teilweise nicht eingehalten.
Ab 2015 sollen auch für die – als besonders gesundheitsschädlich geltenden – sehr kleinen Feinstaubpartikel bis zur Größe von 2,5 Mikrometern (PM 2,5) erstmals Grenzwerte gelten. Höchstens 25 Mikrogramm PM 2,5 pro Kubikmeter Luft sind dann noch erlaubt.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 25.07.2008, C-237/07.