0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist am 1.1.1997 durch Gesetz zur sozialrechtlichen Behandlung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt v. 12.12.1996 (BGBl. I S. 1859) in Kraft getreten und entspricht im Kern der Vorgängervorschrift des § 636 RVO. Durch die Aufnahme der Beschreibung des Wegeunfalls am Ende des ersten Satzes von Abs. 1 ist eine Präzisierung dahingehend eingetreten, dass Unfälle auf Betriebswegen dem Haftungsprivileg unterfallen.
1 Allgemeines
Rz. 2
Liegt ein Versicherungsfall der gesetzlichen Unfallversicherung vor (§ 7: Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten), den der Unternehmer verursacht hat, löst die Vorschrift die Haftung des Unternehmers für eingetretene Personenschäden ab. Die Ablösung der zivilrechtlichen Haftung durch die Versicherungsleistung der gesetzlichen Unfallversicherung stellt zusammen mit den übrigen Vorschriften des Ersten Abschnitt s des Vierten Kapitels eine der wesentlichen Grundlagen der gesetzlichen Unfallversicherung dar. Solange dem Unternehmer kein vorsätzliches Handeln für den Eintritt des Versicherungsfalls vorgeworfen werden kann und kein Wegeunfall i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 vorliegt, tritt an die Stelle der Haftung des Unternehmers die Versicherungsleistung der gesetzlichen Unfallversicherung. Das soll den Betriebsfrieden wahren, indem Auseinandersetzungen zwischen Arbeitnehmer und Unternehmer vermieden werden (BGHZ 8 S. 330; teilweise kritisch Lauterbach/Dahm, SGB VII, § 104 Rz. 6) und begründet im Gegenzug zur Haftungsfreistellung die alleinige Pflicht zur Beitragszahlung durch den Unternehmer gemäß § 150 (Bereiter-Hahn/Mehrtens, SGB VII, § 104 Rz. 3).
Rz. 3
Das System der Haftungsablösung gilt als ausgewogen und damit verfassungskonform (BVerfG, Beschluss v. 8.2.1995, 1 BvR 753/94). Der Versicherte muss zwar auf Schmerzensgeld verzichten. Jedoch ist einerseits eine Entschädigung für Schmerzen teilweise in die Tabellen zur Rentengewährung mit eingearbeitet. Andererseits wird die Entschädigung sowohl tatbestandlich als auch inhaltlich über eine zivilrechtliche Haftung hinaus gewährt und stellt sich insgesamt als günstiger dar. So wird Versicherten eine Entschädigung auch ohne Verschulden des Unternehmers (z. B. bei Wegeunfällen) oder auch bei ausschließlichem Eigenverschulden gewährt. Zudem steht dem Geschädigten in Form der Unfallversicherung immer ein solventer Schuldner zur Verfügung (BAG, Urteil v. 24.5.1989, 8 AZR 240/87). Auch steht durch die abstrakte Schadensberechnung anlässlich der Zahlung einer Verletztenrente der Entschädigung nicht immer ein konkreter Schaden gegenüber (Ricke, in: KassKomm. SGB VII, § 104 Rz. 2; Rapp, in: LPK-SGB VII, § 104 Rz. 3 ff.).
Rz. 4
Als wesentliches Element des Gesamtsystems ist die Regelung zwingend und kann vertraglich nicht abbedungen werden (Bereiter-Hahn/Mehrtens, SGB VII, § 104 Rz. 3.2 mit Hinweis auf BGH, Beschluss v. 16.9.1993, IX ZB 82/90).
2 Rechtspraxis
2.1 Haftungsprivilegierung für den Unternehmer
Rz. 5
Der Unternehmer haftet den Betroffenen nicht für Personenschäden nach anderen gesetzlichen Vorschriften. Dieser Grundsatz ist umfassend und wirkt sich auch auf im Ausland erwirkte Urteile gegen den Unternehmer aus, mit der Folge, dass diese in Deutschland nicht vollstreckbar sind (Ricke, in: KassKomm. SGB VII, § 104 Rz. 2 mit Hinweis auf BGH, Beschluss v. 16.9.1993, IX ZB 82/90).
2.1.1 Unternehmerbegriff
Rz. 6
Der Unternehmerbegriff des § 104 folgt dem des § 136 Abs. 1 Nr. 1 bis 4. Demnach ist derjenige Unternehmer, dem das wirtschaftliche Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht. Irrelevant ist die Tatsache, ob der Unternehmer selbst freiwillig, durch Gesetz oder durch Satzung unfallversichert ist (Bereiter-Hahn/Mehrtens, SGB VII, § 104 Rz. 4.1). Bei Gesellschaften bestimmt die Gesellschaftsform, wer Unternehmer ist (BSG, Urteil v. 26.1.1978, 2 RU 90/77). Kapitalgesellschaften (z. B. AG oder GmbH) sind jeweils selbst Unternehmer, nicht deren gesetzliche Vertreter. Diese können aber u. U. "andere Personen" i. S. d. § 105 sein (Krasney, NZS 2004 S. 7, 8). Bei Personengesellschaften (OHG, KG, BGB-Gesellschafft) sind Unternehmer die persönlich haftenden Gesellschafter (Schmitt, SGB VII, § 104 Rz. 4). Bei mehreren Unternehmern in einem Unternehmen sind diese Mitunternehmer und in gleicher Weise privilegiert, unabhängig davon, ob sie selbst versichert sind oder nicht (Krasney, in: Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, SGB VII, § 104 Rz. 7; Lauterbach/Dahm, SGB VII, § 104 Rz. 7; Bereiter-Hahn/Mehrtens, SGB VII, § 104 Rz. 4.2). Eine auf Erwerb gerichtete Betätigung des Unternehmens – was zwar regelmäßig vorliegen wird – ist jedoch nicht erforderlich. So ist auch der Eigenbauherr, dem Nachbarn "wie Arbeitnehmer" helfen, i. S. d. § 104 privilegiert (Lauterbach/Dahm, SGB VII, § 104 Rz. 7). Auch Verwaltungen wie Schulen oder die dahinter stehende Gemeinde können Unternehmer sein (vgl. Krasney, NZS 2004 S. 7, 8).
Rz. 6a
Auch derjenige Unternehmer, der Schwarzarbeit leistet, indem er Dienst- oder Werkleistungen erbringt, aber seine sozialversicherungsrechtliche Melde-, Beitrags- oder Aufzeichnungspflichten n...