2.6.1 Durchführung einer Heilbehandlung (Abs. 1 Nr. 1 1. Alternative)
Rz. 16
Zur versicherten Heilbehandlung gehören alle Maßnahmen nach § 27 (vgl. BSG, Urteil v. 24.6.1981, 2 RU 87/80). Erfasst sind daher diagnostische Eingriffe (BSG, Urteil v. 27.6.1982, 2 RU 20/78) und ärztliche oder zahnärztliche Behandlungen, gleich ob diese ambulant oder stationär in einem Krankenhaus oder einer Spezialeinrichtung erfolgen, weiterhin vom Arzt angeordnete und überwachte Maßnahmen wie z. B. Massagen oder psychotherapeutische Behandlung (Sturz von einer Liege nach psychotherapeutischer Behandlung: BSG, Urteil v. 24.6.1981, 2 RU 87/80). Selbst ein ärztlich angeordneter Spaziergang erfüllt den Begriff der Heilbehandlung nach § 11 (vgl. LSG Hamburg, Urteil v. 3.10.1974, III VBf 25/74). Zu ergänzenden Leistungen nach § 39, z. B. Erholungsaufenthalte für schwer Verletzte oder Reha-Sport und Funktionstraining nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 und 4 SGB IX, vgl. auch Keller, in: Hauck/Noftz, SGB VII, § 11 Rz. 7; Rapp, in: LPK-SGB VII, § 11 Rz. 4. Die Behandlung kann eine berufsgenossenschaftliche, kassenärztliche oder privat veranlasste sein. Sie bedarf im Gegensatz zu § 11 Abs. 1 Nr. 3 gerade keiner Anordnung (BSG, Urteil v. 24.6.1981, 2 RU 87/80). Sie muss aber von dem Standpunkt des Versicherten aus bei verständiger Betrachtung geeignet sein, der Beseitigung oder Besserung von durch den Arbeitsunfall verursachten Gesundheitsstörungen zu dienen. Dies ist bei einem Sturz vom Balkon infolge Frischluftgenusses durch das BSG verneint worden (Urteil v. 22.1.1976, 2 RU 109/74; ebenso: LSG Schleswig-Holstein, Urteil v. 8.3.1974, L 1 U 93/72).
Eine Herzmuskelschädigung als mittelbare Folge einer im Rahmen ärztlicher Heilbehandlung durchgeführten Tollwutschutzimpfung hat das Bayerische LSG (Urteil v. 14.12.1982, L 8 U 154/81) als eine von § 11 unabhängige mittelbare Folge einer Berufskrankheit angesehen.
In der Gutachterliteratur ist die Behandlung des HWS-Syndroms umstritten mit der Folge, dass ein unversicherter "Therapieschaden" oder eine versicherte Unfallfolge bejaht wird (vgl. zum Therapieschaden: Ludolph, VersR 1992 S 662; zur versicherten Unfallfolge: Plagemann/Hontschik, Medizinische Begutachtung im Sozialrecht, 3. Aufl. 1996, Rz. 277; Plagemann, VersR 1999, 9 unter VI 3).
Rz. 17
Versichert sind auch alle Wege, die zur Durchführung der Heilbehandlung erforderlich sind (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 22.3.2007, L 3 U 56/03).
2.6.2 Ärztlich verordneter Rehabilitationssport (Abs. 1 Nr. 1)
Rz. 18
Wie im bis zum 31.12.1996 geltenden Recht § 555 RVO ist auch in § 11 eine ausdrückliche Regelung im Hinblick auf die ergänzenden Leistungen, insbesondere den ärztlich verordneten Rehabilitationssport (zum Rehabilitationssport: Dahm, BG 2000, 405), nicht getroffen worden. Wegen der Vergleichbarkeit der Gefährdung, der ärztlichen Verordnung und Betreuung (vgl. § 39 Abs. 1 Nr. 6) wurde der Rehabilitationssport ebenso wie die Krankengymnastik und Bewegungstherapie behandelt und in den Schutz der Zurechnung mittelbarer Unfallfolgen kraft Gesetzes einbezogen. Der bis zum 31.12.1996 geltende § 555 RVO war analog angewandt worden. Durch die Neuregelung des Gesetzgebers ist die unbewusste Regelungslücke als Basis für eine Analogie entfallen. Allerdings kann der Wille des Gesetzgebers ins Feld geführt werden, er habe an der bisherigen Rechtslage nichts ändern wollen (BT-Drs. 13/2204 S. 79 zu § 11), weshalb der Rehabilitationssport einzubeziehen ist (hM.: Keller, in: Hauck/Noftz, SGB VII, § 11 Rz. 7, Ricke, in: BeckOGK, Stand: 15.2.2024, SGB VII, § 11 Rz. 12; Schmitt, SGB VII, § 11 Rz. 11; Kater, in: Kater/Leube, SGB VII, § 11 Rz. 7). Der Versicherte soll nach dem Sinn und Zweck der Rehabilitation vollständig wiederhergestellt werden, weshalb eine Unterscheidung im Hinblick auf den Versicherungsschutz nicht sinnvoll erscheint, wie auch der Vergleich mit der medizinischen Rehabilitation in § 27 Abs. 1 Nr. 7 und § 33 zeigt, vor allem, wenn sie teilstationär erbracht wird.
Wird die Gleichbehandlung des Rehabilitationssports verneint, kann sich der Versicherungsschutz daraus ergeben, dass der Unfall, den der Versicherte bei der Durchführung des ärztlich verordneten Rehabilitationssports als eigenwirtschaftlicher Tätigkeit erleidet, nach den allgemeinen Grundsätzen der rechtlich wesentlichen Mitursache dem Erstunfall zugerechnet werden kann.
2.6.3 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (Abs. 1 Nr. 1 2. Alternative)
Rz. 19
Art und Umfang der versicherten Leistungen ergeben sich aus § 35 i. V. m. § 33 SGB IX. Erfasst werden berufsvorbereitende Maßnahmen einschließlich der erforderlichen Grundausbildung und Maßnahmen der beruflichen Anpassung, Fortbildung, Ausbildung und Umschulung (vgl. Schmitt, SGB VII, § 11 Rz. 9).
Wie bei der Heilbehandlung ist eine Anordnung nicht erforderlich. Lediglich teilgeförderte Maßnahmen nach § 39 Abs. 3 sind ausgeschlossen (Ricke, in: BeckOGK, Stand: 15.2.2024, SGB VII, § 11 Rz. 16).
Rz. 20
Versichert sind auch alle Wege, die zur Durchführung der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich sind.
Beispiele:
- Treppensturz infolge Teilnahme an einer beruflichen Umschulungsmaßnahme
- Unfall auf dem Weg zur Abendschule.
2.6.4 Maßnahme nach § 3 BKV (Abs. 1 Nr. 1 3. Alternative)
Rz. 21
Versicherungsschut...