Rz. 93
Die Vorschrift verschafft 2 Personengruppen in 2 Tätigkeitsgebieten Versicherteneigenschaft: Zum einen den selbstständig in den Bereichen des Gesundheitswesens oder der Wohlfahrtspflege (Alt. 1) Tätigen sowie zum anderen den unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich in beiden genannten Bereichen Tätigen (Alt. 2). Die Vorschrift erfasst nicht die Beschäftigten, weil diese bereits nach Nr. 1 versichert sind.
Rz. 94
Dem Gesundheitswesen sind Einrichtungen (Krankenhäuser, Arztpraxen usw.) und Tätigkeiten zuzurechnen, die der Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit des Menschen dienen oder diese vor unmittelbar drohenden Gesundheitsgefahren schützen (BSG, Urteil v. 27.10.1961, 2 RU 115/60).
Rz. 95
Selbstständige im Gesundheitswesen (zum Begriff der selbstständigen Tätigkeit vgl. Rz. 13) sind die Angehörigen von Gesundheitsberufen wie z. B. Physiotherapeuten, Masseure, Logopäden, Hebammen, Fußpfleger. Eine Pflichtversicherung für die im Veterinärwesen Tätigen ist nicht (mehr) vorgesehen; diese können sich aber freiwillig versichern (§ 6). Die nach Abs. 1 Nr. 9 dem Grunde nach versicherten Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, Psychotherapeuten und Heilpraktiker werden allerdings durch § 4 Abs. 3 ausdrücklich von der Versicherung nach Abs. 1 Nr. 9 freigestellt und sind daher im Ergebnis nicht nach Nr. 9, sondern ggf. nach Maßgabe des § 6 freiwillig versichert.
Rz. 95a
Vorstandsmitglieder einer AG sind nicht nach Nr. 9 versichert. Zwar werden sie wie selbstständige Unternehmer tätig (vgl BSG, Urteil v. 14.12.1999, B 2 U 38/98 R Rz. 15 zu § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO). Damit seien sie aber keine Unternehmer und deshalb auch nicht selbst beitragspflichtige Unternehmer i. S. d. § 150 Abs. 1 Satz 1. Eine "selbstständige" Tätigkeit im Gesundheitswesen oder der Wohlfahrtspflege nach Nr. 9 liege bei einem als Wie-Unternehmer tätigen Vorstandsmitglied einer AG nicht vor (BSG, Urteil v. 20.3.2018, B 2 U 13/16 R; BSG, Urteil v. 15.12.2020 – B 2 U 4/20 R). Auch komme es für die Einbeziehung von Tätigkeiten in den Bereich des "Gesundheitswesens" i. S. v. Nr. 9 – so das BSG – weder darauf an, ob diese Methoden nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung abrechnungsfähig sind, noch darauf, ob die Tätigkeit einer beruflichen Zulassung bedarf oder ob der Selbstständige eine Gewähr bietet, Behandlungsmethoden qualitativ anzuwenden (für Versicherungsschutz und Beitragspflicht einer "Geistheilerin" daher BSG, Urteil v. 19.6.2018, B 2 U 9/17 R). Auch wenn dem vom BSG gebildeten Obersatz gefolgt werden kann, befremdet das Ergebnis, wonach die Vorstände einer AG im Pflegebereich nicht als Selbstständige nach Nr. 9 versichert sind, wohl aber eine "Geistheilerin", die dem "Gesundheitswesen" nur im allerweitesten Sinne zugerechnet werden kann.
Rz. 96
Wohlfahrtspflege ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG die planmäßige, zum Wohle der Allgemeinheit und nicht des Erwerbes wegen ausgeübte unmittelbare vorbeugende oder abhelfende Hilfeleistung für gesundheitlich, sittlich oder wirtschaftlich gefährdete oder notleidende Mitmenschen (ähnlich § 66 Abs. 2 AO; BSG, Urteil v. 31.1.2012, B 2 U 3/11 R m. w. N.). Sie nimmt die Aufgabe wahr, bei sozialer, gesundheitlicher oder wirtschaftlicher Gefährdung oder Not vorzubeugen oder zu helfen. Die altruistische Ausrichtung ist ein Merkmal der Wohlfahrtspflege, das verhindert, dass auch die Betätigung im Eigeninteresse (Selbsthilfegruppe, Interessenverband) nach dieser Vorschrift in den Versicherungsschutz einbezogen wird. Auch die in der Jugendhilfe tätigen Personen können versichert sein. Dies hat das BSG jedenfalls für eine selbstständig tätige Tagesmutter bejaht, die für das Jugendamt Kinder betreut (BSG, Urteil v. 31.1.2012, B 2 U 3/11 R). Auch die in der Pflege selbstständig Erwerbstätigen sind über Nr. 9 versichert (BSG, Urteil v. 26.6.2014, B 2 U 9/13 R).
Rz. 96a
In tatsächlicher Hinsicht sind der Wohlfahrtpflege Tätigkeiten zuzurechnen, die von den organisierten Wohlfahrtsverbänden wie Caritas, Diakonie, paritätischer Wohlfahrtsverband, Deutsches Rotes Kreuz oder Arbeiterwohlfahrt angeboten werden. Auch die Tätigkeit in Pflegeheimen ist dem Bereich Wohlfahrtspflege zuzuordnen (vgl. Rz. 95a). Trotz Überschneidung mit dem Bereich Gesundheitswesen unterfällt die Pflege dem weiteren Begriff der Wohlfahrtspflege. Die Tätigkeit muss aber als selbstständige Tätigkeit ausgeübt werden. Die nicht gewerbsmäßigen Pflegepersonen in der ambulanten Pflege sind nicht nach Nr. 9, sondern ggf. über den speziellen Tatbestand der Nr. 17 versichert. Wohlfahrtspflege setzt u. a. ein planmäßiges Handeln voraus, das in Abgrenzung zur bloßen Mildtätigkeit bereits dann vorliegt, wenn die Aufgaben mit einer gewissen Regelmäßigkeit wahrgenommen werden bzw. wenn dies beabsichtigt ist (BSG, Urteil v. 12.3.1974, 2 RU 7/72). Da die Versicherung nach Nr. 9 nicht auf die in der "organisierten" Wohlfahrtspflege tätigen Personen beschränkt ist, sind auch Personen versichert, die in den genannten Arten (selbstständig, unentgeltl...