Rz. 69
Ereignet sich der Unfall, während der Betreffende sich im betrieblichen Interesse außerhalb des Beschäftigungsortes aufhält, so kommt Versicherungsschutz unter dem Gesichtspunkt einer Dienst- oder Geschäftsreise in Betracht. Diese kann von der Betriebsstätte oder von der Wohnung her angetreten werden. Auch während der Dienstreise besteht der Versicherungsschutz nicht rund um die Uhr (BSG, Urteil v. 4.8.1992, 2 RU 43/91; Urteil v. 4.6.2002 B 2 U 21/01 R).
Typisch eigenwirtschaftliche Betätigungen sind auch während der Dienstreise unversichert. Dies betrifft etwa die Körperreinigung. Wird sie zu Hause vorgenommen, so ist dies ein sehr starkes Indiz für die Zuordnung zum privaten unversicherten Bereich. Dies gilt i. d. R. auch, wenn die Reinigung während einer Dienstreise im vom Versicherten bewohnten Hotelzimmer erfolgt (BSG, Urteil v. 27.7.1989, 2 RU 3/89). Jedoch ist zu berücksichtigen, dass bestimmte Betätigungen während der Dienstreise typischerweise mit dem auswärtigen Aufenthalt zusammenhängen, etwa dann, wenn der Betreffende im Bad oder beim nächtlichen Toilettengang stürzt, weil er die örtlichen Gegebenheiten im Hotelzimmer nicht kennt.
Rz. 70
Die zum Wegeunfall nach Abs. 2 entwickelten Grundsätze zur Unterbrechung des inneren Zusammenhangs und zur Lösung von der versicherten Tätigkeit sind nicht übertragbar. Maßgeblich dafür ist, dass der auswärtige Aufenthalt selbst durch den betrieblichen Zweck veranlasst ist (BSG, Urteil v. 12.6.1990, 2 RU 57/89). Es ist stets eine Betrachtung der Gegebenheiten des Einzelfalls erforderlich.
Rz. 71
Oftmals sind betrieblicher und privater Zweck untrennbar miteinander verwoben; es liegt eine gemischte Tätigkeit vor. Dann ist entscheidend auf die Motivation abzustellen und zu fragen, ob die unfallbringende Verrichtung auch dann vorgenommen worden wäre, wenn der private Zweck entfallen wäre (BSG, Urteil v. 5.5.1994, 2 RU 26/93).
Rz. 72
Zur Abgrenzung des Versicherungsschutzes beim Aufenthalt in einer Übernachtungsstätte (Hotelzimmer, Privatpension usw.) während einer Dienst- oder Geschäftsreise hat sich eine umfangreiche Rechtsprechung herausgebildet. Dort kann Versicherungsschutz auch bei Verrichtungen bestehen, die ansonsten als typisch eigenwirtschaftlich angesehen werden, wenn besondere räumliche Verhältnisse oder besondere Gefahrenmomente zum Unfall geführt haben, die sich nach Art und Ausmaß von den vielfältigen alltäglichen Risiken abheben, denen jeder Mensch ausgesetzt ist (BSG, Urteil v. 18.3.2008, B 2 U 13/07 R).
Rz. 73
Versichert sind:
- Vorbereitungshandlungen für die Dienstreise, z. B. Kauf der Fahrkarte, Aufsuchen eines Reisebüros zum Buchen der Fahrt, Betanken des Pkw, Kofferpacken, Suche eines Hotels oder einer sonstigen Unterkunft;
- Weg zur Nahrungsaufnahme, auch wenn diese selbst als unversichert angesehen wird (BSG, Urteil v. 26.1.1988, 2 RU 1/87);
- Belegung des Hotelzimmers, Orientierungsgang um das Hotel herum, weil dies durch die auswärtige Unterbringung bedingt ist (BSG, Urteil v. 26.4.1990, 2 RU 54/89);
- Sturz aus dem Hotelfenster bei Hotelbrand (BSG, Urteil v. 22.9.1966, 2 RU 101/66);
- Sturz infolge glatten Bodens (BSG, Urteil v. 22.10.1975, 8 RU 194/74);
- Absturz mit dem Hotelfahrstuhl (BSG, Urteil v. 30.7.1958, 2 RU 177/55);
- Gang vom Hotel zum Pkw, um die dort zurückgelassenen Ausweispapiere zu holen (BSG, Urteil v. 12.6.1990, 2 RU 57/89).
Rz. 74
Unversichert sind:
- Sturz im Hotel, wobei keine besonderen Gefahrenmomente oder die unbekannte Umgebung ursächlich waren (BSG, Urteil v. 26.1.1983, 2 RU 43/91);
- Freizeitveranstaltungen während der Dienstreise, z. B. Spaziergang (BSG, Urteil v. 11.8.1998, B 2 U 17/97 R), Tennisspielen (BSG, Urteil v. 27.5.1997, 2 RU 29/96), Sprung vom 3-Meter-Brett des Hotel-Swimmingpools (BSG, Urteil v. 13.2.1975, 8 RU 86/74), Besuch einer Ausstellung, eines Konzerts, einer Sportveranstaltung, es sei denn, dass besondere Umstände doch den Zusammenhang mit dem betrieblichen Zweck herstellen, z. B. gemeinsamer Besuch der Veranstaltung mit Kunden oder Geschäftsfreunden; dann ist im Einzelfall zu klären, was rechtlich wesentlich ist;
- Incentive- oder Motivationsreisen (vgl. dazu Rz. 35);
- Saunabesuch (BSG, Urteil v. 27.7.1989, 2 RU 3/89);
- typisch eigenwirtschaftliche Verrichtungen wie Einnahme der Mahlzeit (BSG, Urteil v. 26.1.1988, 2 RU 1/87), Körperreinigung, wie Baden, Duschen (BSG, Urteil v. 4.6.2002, B 2 U 21/01 R), Verrichten der Notdurft – es sei denn, es realisiert sich eine typischerweise mit dem auswärtigen Aufenthalt verbundene Gefahr (z. B. Stolpern beim nächtlichen Gang zum Hotelzimmer: BSG, Urteil v. 4.8.1992, 2 RU 43/91), oder bei dem Unfall haben Gefahrenmomente mitgewirkt, denen der Versicherte durch den Aufenthalt in dem Hotel oder einer Übernachtungsstätte ausgesetzt war, z. B. im Bad, weil die Örtlichkeiten im Hotel unbekannt sind, Sturz über ein zu niedriges Geländer;
- sonstige private Ausflüge oder Besuche bei Bekannten oder Freunden am Zielort der Dienstreise, soweit sie von den dienstlichen Belangen klar abgre...