Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Das Klageerzwingungsverfahren kann nur betreiben, wer den Antrag auf Erhebung der öffentlichen Klage nach § 171 gestellt hat und zugleich Verletzter ist. |
2. |
Antragsteller ist derjenige, der sich schon bei der StA mit dem (Straf-)Antrag nach § 171 eingeschaltet hat. |
3. |
Verletzter ist, wer durch die behauptete Tat – ihre tatsächliche Begehung unterstellt – unmittelbar in einem Rechtsgut verletzt ist. Zur Verletzteneigenschaft gibt es eine umfangreiche Kasuistik. |
4. |
Tabellarische Übersicht nach den einzelnen Abschnitten des StGB bzw. der Nebengebiete. |
Rdn 2866
Literaturhinweise:
Albrecht, Der Verletzte i.S. des § 172 bei Vermögensdelikten, 2015
Frisch, Der Begriff des "Verletzten" im Klageerzwingungsverfahren, JZ 1974, 7
Hilger, Über den Begriff des Verletzten im Fünften Buch der StPO, GA 2007, 287
Peglau, Der Begriff des "Verletzten" i.S.v. § 172 I StPO, JA 1999, 55
Rackow, Die Darstellung der Verletzteneigenschaft durch den Anwalt im Antrag auf gerichtliche Entscheidung im Klageerzwingungsverfahren, GA 2001, 482
Schall, Der Verletzte im Klageerzwingungsverfahren bei Umweltdelikten, NStZ 2020, 569
Tiedemann, Zur Klageerzwingungsbefugnis von Aktionären und GmbH-Gesellschaftern, insbesondere bei Organuntreue, in: Festschrift für Volkmar Mehle, zum 65. Geburtstag, 2009, S. 625
Zielinski, Zur Verletzteneigenschaft des einzelnen Aktionärs im Klageerzwingungsverfahren bei Straftaten zum Nachteil des Aktionärs, wistra 1993, 6
s.a. die Hinw. bei → Klageerzwingungsverfahren, Allgemeines, Teil K Rdn 2857, und bei → Verletzter, Begriff, Teil V Rdn 4948.
Rdn 2867
1. Das Klageerzwingungsverfahren kann nur betreiben, wer den Antrag auf Erhebung der öffentlichen Klage nach § 171 gestellt hat (dazu Teil K Rdn 2868) und zugleich Verletzter (dazu Teil K Rdn 2870) ist.
Rdn 2868
2.a) Antragsteller ist derjenige, der sich schon bei der StA mit dem (Straf-)Antrag nach § 171 eingeschaltet hat (Burhoff/Burhoff, RM, Teil B Rn 559 ff.; zum Strafantrag die Komm. bei Fischer, §§ 77 ff.). Dabei muss es sich um einen förmlichen Strafantrag gehandelt haben. Ein erst mit der Beschwerde oder dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 Abs. 2 gestellter Antrag genügt nicht (OLG Düsseldorf JMBl. NW 1990, 108; OLG Oldenburg MDR 1997, 431). Der für die Antragsbefugnis notwendige Strafantrag im Sinne des § 172 liegt vor, wenn der Verletzte der StA einen tatsächlichen Sachverhalt mitteilt, aus dem sich der Verdacht einer Straftat ergibt, und dabei eindeutig zu erkennen gibt, dass er im Falle der Begründetheit seines Verdachts die Strafverfolgung wünscht (OLG Celle NStZ-RR 2011, 280 [Ls.]). Es genügt nicht, wenn der Verletzte mit einer Mitteilung des Sachverhalts lediglich eine disziplinarrechtliche Reaktion herbeiführen will und sich deshalb an die insoweit zuständige Stelle wendet, die die Eingabe dann aufgrund einer eigenen Entschließung an die StA weiterleitet (OLG Koblenz NStZ-RR 2012, 317; LR-Graalmann-Scheerer, § 171 Rn 2; zum Strafantrag → Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens, Teil E Rdn 2295 ff.).
Rdn 2869
b) Das Antragsrecht ist ein persönliches Recht. Es geht nicht auf die Angehörigen oder Erben des Verletzten über (OLG Bamberg, Beschl. v. 7.10.2008 – 3 Ws 60/08; OLG Brandenburg, Beschl. v. 30.9.2008 – 1 Ws 147/08; OLG Celle NStZ 1988, 568; OLG Schleswig SchlHA 2007, 286; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 11.4.2018 – 1 Ws 416/17). Das gilt auch bei Eigentums- oder Vermögensdelikten (OLG Bamberg, a.a.O.; OLG Hamm NJW 1977, 64; Beschl. v. 31.7.2001 – 1 Ws 218/2001). Ebenso wenig kann das Antragsrecht rechtsgeschäftlich erworben werden (OLG Braunschweig Nds.Rpfl 1992, 269; OLG Hamm NJW 1977, 64).
Rdn 2870
3.a)aa) Der Begriff des Verletzten ist durch das "Gesetz zur Fortentwicklung der StPO u.a." v. 25.6.2021 (BGBl I, S. 2099) in § 373b ausdrücklich definiert. Eingeführt worden ist in Umsetzung der sog. Opferschutzrichtlinie eine für den gesamten Bereich der StPO geltende Definition des Begriffs des Verletzten, der im Wesentlichen auf der Rspr. zu den §§ 171, 172 und der Rspr. zu diesen Vorschriften beruht (BT-Drucks 19/27654, S. 39 f.; 97 ff.; → Verletzter, Begriff, Teil V Rdn 4947 ff.). Im Anwendungsbereich des § 172 hat sich durch die Einführung des Begriffs des Verletzten keine Änderungen ergeben. Die durch eine Tat Beeinträchtigten/Verletzten, die schon früher als Verletzte i.S. des § 172 angesehen worden sind, sind es auch weiterhin. Ggf. kann sich durch die Neuregelung/Erweiterung in § 373b Abs. 2 (→ Verletzter, Begriff, Teil V Rdn 4957 ff.) aber auch eine Erweiterung der Antragsberechtigung ergeben ((zum [neuen] Begriff des Verletzten OLG Oldenburg, Beschl. v. 24.2.2022 – 1 Ws 360/21, StraFo 2022, 204; a. Teil K Rdn 2878).
Danach gilt im Einzelnen:
Rdn 2871
bb) Verletzter ist nach der Legaldefinition des § 373b Abs. 1, wer durch die behauptete Tat – ihre tatsächliche Begehung unterstellt – unmittelbar in einem Rechtsgut verletzt ist (→ Verletzter, Begriff, Teil V Rdn 4947 ff.; aus der Rspr zum frühe...