Rdn 2969
Literaturhinweise:
Pollähne, Verteidigung bei Beteiligung von Verletzten, in: MAH § 55
s.a. die Hinw. bei → Verteidiger, Verteidigerhandeln und Strafrecht, Teil V Rdn 5265.
Rdn 2970
1. Im Zusammenhang mit der Frage nach dem → Verteidigungsziel, Teil V Rdn 5337, kann sich für den Verteidiger auch die Frage nach einer Kontaktaufnahme zu Geschädigten stellen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es um die → Einstellung des Verfahrens nach § 153a nach Erfüllung von Auflagen und Weisungen, Teil E Rdn 2128, oder um einen → Täter-Opfer-Ausgleich, Teil T Rdn 4415, geht. In beiden Fällen stellt sich nämlich häufig die Frage nach der Wiedergutmachung entstandener materieller und immaterieller Schäden, die ohne Kontakte zum Geschädigten nicht beantwortet werden kann. Diese hat aber auch dann Bedeutung, wenn es in erster Linie nicht um eine Einstellung des Verfahrens geht, sondern eine sog. Strafzumessungsverteidigung geführt werden soll. Die Schadenswiedergutmachung ist – auch außerhalb eines TOA – nach § 46 Abs. 2 S. 2 StGB ein (wesentlicher) Strafzumessungsgrund.
Rdn 2971
2. Hinweise für den Verteidiger!
Hinsichtlich der Kontaktaufnahme zum Geschädigten, die den Verteidiger leicht in die Nähe des Vorwurfs einer zumindest versuchten Strafvereitelung nach § 258 StGB bringen kann, ist auf Folgendes hinzuweisen (i.Ü., insbesondere wegen der Art und Weise der Kontaktaufnahme, Bosbach u.a., Rn 349 ff.):
Rdn 2972
a) Maßstab für eine Kontaktaufnahme zum Geschädigten ist der BGH, Beschl. v. 9.5.2000 (1 StR 106/00, BGHSt 46, 53; Bosbach u.a., Rn 357). Denn aus ihm lässt sich einerseits ableiten, dass eine Kontaktaufnahme zulässig ist, andererseits stellt er die Grenzen auf, innerhalb der der Verteidiger agieren kann/darf. Die (lesenswerte) Entscheidung stellt – wie die Rspr. des BGH allgemein – darauf ab, dass der Verteidiger grds. alles tun darf, was in gesetzlich nicht zu beanstandender Weise seinem Mandanten nützt (BGHSt 38, 345, 347). Allerdings muss er sich bei seinem Vorgehen auf verfahrensrechtlich erlaubte Mittel beschränken und er muss sich jeder bewussten Verdunkelung des Sachverhalts und jeder sachwidrigen Erschwerung der Strafverfolgung enthalten (BGHSt 2, 375; 46, 53, 56; wegen weiterer Nachw. → Verteidiger, Verteidigerhandeln und Strafrecht, Teil V Rdn 5265). Daher ist es insbesondere untersagt, durch aktive Verdunkelung und Verzerrung des Sachverhalts die Wahrheitserforschung zu erschweren, insbesondere Beweisquellen zu verfälschen (BGH 38, 345, 348; NStZ 1999, 188).
☆ Das bedeutet: Eine Kontaktaufnahme mit dem Ziel, den Zeugen zu einer Falschaussage zu veranlassen , ist (natürlich) unzulässig.Falschaussage zu veranlassen, ist (natürlich) unzulässig.
Rdn 2973
b) Zu beachten ist, dass die Kontaktaufnahme des Beschuldigten/Verteidigers zum Geschädigten "eine allgemein menschliche und eine pragmatisch-taktische Komponente" hat (Bosbach, Rn 350 f.). Das muss der Verteidiger bei der Beratung des Mandanten über die Vor- und Nachteile einer Kontaktaufnahme beachten. Insoweit ist hinzuweisen auf (Bosbach u.a., Rn 350 ff.):
Rdn 2974
▪ |
Über eine Kontaktaufnahme kann ggf. eine → Einstellung des Verfahrens nach § 153a nach Erfüllung von Auflagen und Weisungen, Teil E Rdn 2128, erreicht werden. |
▪ |
Eine Kontaktaufnahme kann zu einem erfolgreichen → Täter-Opfer-Ausgleich, Teil T Rdn 4415, führen. |
▪ |
Ziel der Kontaktaufnahme kann bei Antragsdelikten die Rücknahme des Strafantrags sein. |
▪ |
Eine Schadenswiedergutmachung kann zu einer milderen Strafe führen (§ 46 Abs. 2 S. 2 StGB). |
▪ |
Ggf. wird ein teures Adhäsionsverfahren oder ein Zivilprozess vermieden. |
Rdn 2975
▪ |
Die Entschuldigung/das Wiedergutmachungsangebot wird/kann als Geständnis gewertet werden. |
▪ |
Die Entschuldigung/das Wiedergutmachungsangebot wird ggf. als rein taktisches Manöver angesehen. |
▪ |
Es besteht die Gefahr des Vorwurfs der (zumindest versuchten) Strafvereitelung i.S. des § 258 StGB. |
☆ Hinsichtlich des Zeitpunkts der Kontaktaufnahme lassen sich allgemein gültige Angaben nicht machen: Einerseits darf er nicht so spät liegen, dass ein durch Verfahrensdruck motiviertes Handeln nahe liegt, andererseits darf auch nicht so früh Kontakt aufgenommen werden, dass der Geschädigte noch so unter dem Eindruck des schädigen Ereignisses steht, dass er den in der Kontaktaufnahme zum Ausdruck kommenden guten Willen nicht erkennen kann oder will. Letztlich hat der Verteidiger daher keine andere Wahl, als anhand der Umstände des Einzelfalles abzuwägen, wann eine Kontaktaufnahme mit dem Geschädigten zweckmäßig ist ( Bosbach u.a., Rn 361).Zeitpunkts der Kontaktaufnahme lassen sich allgemein gültige Angaben nicht machen: Einerseits darf er nicht so spät liegen, dass ein durch "Verfahrensdruck" motiviertes Handeln nahe liegt, andererseits darf auch nicht so früh Kontakt aufgenommen werden, dass der Geschädigte noch so unter dem Eindruck des schädigen Ereignisses steht, dass er den in der Kontaktaufnahme zum Ausdruck kommenden guten Willen nicht e...