Leitsatz
1. Ist die vorhandene ältere Gemeinschaftsantenne reparaturbedürftig und selbst durch vollständige Erneuerung kein ausreichender Fernsehempfang gewährleistet, gehört der Anschluß der Wohneigentumsanlage an das Breitbandkabelnetz zur modernisierenden Instandsetzung.
2. Ist die Gemeinschaftsantenne neben den drei öffentlich-rechtlichen Sendern auch auf die Privatsender RTL und Sat 1 ausgerichtet, dann ist der Fernsehempfang als nicht ausreichend anzusehen, wenn Sat 1 nur stark verrauscht empfangen werden kann.
Sachverhalt
Die Wohnungseigentümer beschlossen mit Mehrheit den Anschluß an das Breitbandkabelnetz, da neben den öffentlich-rechtlichen Sendern nur RTL sowie Sat 1 in stark verminderter Qualität empfangen werden konnten. Einer der Wohnungseigentümer, ein gebürtiger Oberschlesier, stimmte dagegen und begehrte vielmehr das Anbringen einer Parabolantenne, damit er die in Polen ausgestrahlten Sendungen verfolgen könnte. Hiergegen stimmten nun wieder alle anderen Eigentümer woraufhin der spätausgesiedelte Wohnungseigentümer nunmehr die auf der Eigentümerversammlung gefaßten Beschlüsse anficht.
Entscheidung
Angesichts der vorhandenen Gemeinschaftsantenne stellt der vorgesehene Kabelanschluß an sich eine bauliche Veränderung dar, die grundsätzlich nur mit Zustimmung aller Wohnungseigentümer wirksam beschlossen werden kann. Je nach Lage des Einzelfalles kann sich jedoch die bauliche Veränderung, die mit der Installation des Kabelanschlusses verbunden ist, auch im Rahmen einer ordnungsgemäßen Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums halten. Dann wiederum kann der Eigentümerbeschluß mit Stimmenmehrheit gefaßt werden.
Nach ständiger Rechtsprechung kann zur ordnungsgemäßen Instandhaltung und Instandsetzung auch eine Ersatzbeschaffung gehören, die dem derzeitigen Standart entspricht, selbst wenn sie zu einer Verbesserung gegenüber dem bisherigen Zustand führt oder die Vorteile neuerer technischer Entwicklungen nutzt. Eine mit Stimmenmehrheit zu beschließende modernisierende Instandsetzung ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die vorhandene Antennenanlage reparaturbedürftig ist und auch durch deren vollständige Erneuerung kein ausreichender Fernsehempfang gewährleistet ist.
Zur Begründung bezog sich das Gericht auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wonach es zum geschützten Informationsinteresse des Wohnungsnutzers gehört, nicht nur den Empfang der öffentlich-rechtlichen Programme, sondern darüber hinaus auch die üblicherweise mit Breitbandkabel zu empfangenden Privatsender - insbesondere RTL und Sat 1- zu empfangen. Aber eben diesen Empfang konnte die alte Anlage nicht gewährleisten. Unerheblich waren demnach auch die mit dem Kabelanschluß verbundenen höheren Kosten.
Ein Anspruch auf Zustimmung oder Duldung der Installation einer Parabolantenne durch den Spätaussiedler gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern ist jedenfalls nicht gegeben. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß es sich bei einer Parabolantenne auf dem Dach der Wohneigentumsanlage um eine bauliche Veränderung handelt. In diesem Zusammenhang kommt es also entscheidend darauf an, ob durch die Installation der Antenne die Rechte der übrigen Wohnungseigentümer über das unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden. Demnach ist eine Abwägung unter besonderer Berücksichtigung der Grundrechte des Wohnungseigentümers vorzunehmen, der den Satellitenempfang als Kommunikationsmittel nutzen möchte.
Von entscheidendem Gewicht war hier der Umstand, daß der Eigentümer deutscher Staatsangehörigkeit ist und bereits seit drei Jahrzehnten in Deutschland lebt. Durch das Bekenntnis zur deutschen Staatsbürgerschaft und durch die Aussiedlung hat er jedenfalls die Bindung zu seinem Heimatland gelockert. Die Richter sahen daher auch sein Interesse, kulturelle und sprachliche Verbindungen mit der früheren Heimat aufrechtzuerhalten, deutlich in den Hintergrund gerückt. Auf seiten der Wohnungseigentümer war zu bedenken, daß eine zum Empfang der polnischen Sender geeignete Parabolantenne einen Durchmesser von immerhin 82 cm haben müßte. Unter Berücksichtigung der Belange des gebürtigen Oberschlesiers überwogen daher die Interessen der übrigen Wohnungseigentümer. Die Parabolantenne durfte nicht angebracht werden.
Link zur Entscheidung
OLG Hamm, Beschluss vom 09.10.1997, 15 W 245/97
Fazit:
Ein einzelner Wohnungseigentümer hat keinen Anspruch auf Errichtung einer Parabolantenne, wenn die Wohneigentumsanlage an das Kabelfernsehen angeschlossen ist. Dieser Grundsatz gilt uneingeschränkt für deutsche Wohnungseigentümer. Einem ausländischen Wohnungseigentümer ist es jedoch im Regelfall auch bei Anschluß an das Kabelfernsehen zu gestatten, eine Parabolantenne zu errichten, wenn über Kabel nicht mehr als zwei Programme in der jeweiligen Heimatsprache empfangen werden können. In diesem Zusammenhang ist jedoch zu differenzieren nach Ausländern mit - zwischenzeitlich angenommener - deutscher Staatsangehörigkeit und in Deutschland lebenden Ausländern, ...