I. Überblick über das Gründungsverfahren

 

Rz. 4

Erster Schritt im Rahmen einer Gesellschaftsgründung ist die Namensrecherche. Diese ist nach dem Gesetz nicht zwingend, jedoch führt die Wahl eines bereits von einer anderen Gesellschaft belegten oder eines verwechslungsfähigen Namens zur Zurückweisung der Anmeldung; eine Abänderung der Anmeldung ist nicht möglich. Deshalb wird regelmäßig mit den Registrierungsunterlagen eine aktuelle Bescheinigung eingereicht, aus der sich die Durchführung der Recherche und das Fehlen einer Namenskollision oder -verwechslung ergeben (sog. NUANS-report). Eine beabsichtigte Firmenbezeichnung kann, wenn keine Namenskollision oder Verwechslungsgefahr besteht, auf Antrag für einen Zeitraum von bis zu 90 Tagen vorläufig reserviert werden.

 

Rz. 5

Ausgangspunkt der Gründung ist die Erstellung der Articles of Incorporation. Diese stellen die Statuten der Gesellschaft dar, müssen aber nicht so weit gefasst sein wie ein Gesellschaftsvertrag nach deutschem Rechtsverständnis. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass es – zumindest bei Gründung durch mehrere Gesellschafter – als Option zusätzlich zu den Articles of Incorporation die sog. By-Laws gibt, die das Verhältnis der Gesellschafter untereinander regeln können. Da im Gegensatz zu den Articles of Incorporation die By-Laws nicht öffentlich einsehbar sind, wird man im Regelfall all diejenigen Regelungen, die man nicht publizieren möchte, in By-Laws unterbringen.

Die Gesellschaft entsteht nach Unterzeichnung der Articles of Incorporation und deren Einreichung zusammen mit der "Notice of Registered Office" und der "Notice of Directors" durch Eintragung und Ausstellung des Gründungszertifikates.[1]

 

Rz. 6

Die Einreichung erfolgt durch einen der Gründer. Sie kann auch online erfolgen (http://strategis.gc.ca/corporations). Grundsätzlich ist die Gründung sowohl auf den klassischen Kommunikationswegen wie auch online vom Ausland her möglich. Auch wenn die Formalien der Gründung wie auch späterer Maßnahmen (z.B. Verschmelzung) durch öffentlich bereitgestellte Information Kits ("Incorporation Kit", "Amendment Kit" usw.), die Bestandteil der Policy Statements der zentralen Registrierungsstelle, des sog. Director (siehe dazu Rdn 7 und 34) sind, erleichtert werden, ist wegen der zu beachtenden Besonderheiten eine Gründung ohne Beteiligung eines kanadischen Anwalts nicht zu empfehlen; dies gilt auch für alle späteren Maßnahmen mit Auswirkung auf die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse. Informieren kann man sich vorbereitend – nicht nur mit Blick auf die Gründung einer Gesellschaft – auf der Website www.corporationscanada.ic.gc.ca von "Corporations Canada". Dort finden sich insbesondere die sehr informativen "Corporations Canada Guides".

 

Rz. 7

Adressat sowohl für die Anmeldung als auch für alle künftig fällig werdenden Anzeigen, Meldungen etc. ist der sog. Director. Hierbei handelt es sich um eine vom Minister of Consumer and Corporate Affairs eingerichtete und bei diesem angesiedelte Zentralstelle. Grundsätzliche Anlaufstelle für alle gesellschaftsrechtlichen Anmeldungen, Anzeigen und außergerichtlichen Verfahren betreffend Gesellschaften, die nach Bundesrecht gegründet werden bzw. wurden, ist damit der "Director“ (vgl. dazu auch Rdn 34)."

[1] Auf den obligatorischen Inhalt der Articles of Incorporation wird in Rdn 12 ff. näher eingegangen.

II. Gesellschafter

 

Rz. 8

Eine Mindestzahl an Gesellschaftern ist nicht vorgeschrieben. Soweit Gesellschafter eine natürliche Person ist, darf im Hinblick auf sie kein Disqualifikationsgrund vorliegen. Dies wäre der Fall, wenn ein Gründer jünger als 18 Jahre ist, über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde oder wenn er gemäß Feststellung eines kanadischen oder ausländischen Gerichts unzurechnungsfähig bzw. nicht geschäftsfähig wäre.

Beschränkungen in Bezug auf die Beteiligung von Ehegatten an Gesellschaften bestehen grundsätzlich nicht. Jeder Ehegatte kann ohne Zustimmung des anderen eine Gesellschaft gründen bzw. Anteile daran erwerben. Auch können Ehegatten gemeinsam eine GmbH gründen und getrennt Anteile übernehmen. Einschränkungen gibt es allenfalls bei Verfügungen, die aus güterrechtlicher Sicht von Bedeutung sein können, z.B. mit Blick auf die Grundsätze des "Matrimonial Home"; hierbei handelt es sich allerdings nicht (vgl. § 1371 BGB) um gesellschaftsrechtliche Regelungen oder Besonderheiten.

Disqualifikationsgründe für die Beteiligung von juristischen Personen an der Gründung einer Kapitalgesellschaft bestehen nicht ausdrücklich; bei analoger Anwendung der für natürliche Personen geltenden Regelungen ist jedoch anzunehmen, dass eine in Insolvenz befindliche Gesellschaft nicht Gründungsgesellschafterin einer anderen Gesellschaft werden kann.

Da das kanadische Recht – wie eingangs dargestellt – nicht zwischen personalistisch und kapitalmäßig geprägten Kapitalgesellschaften differenziert und hierfür unterschiedliche Regelungswerke (wie im deutschen Recht das GmbH-Gesetz und das Aktiengesetz) bereit stellt, gibt es grundsätzlich keine Höchstzahl der Gründungsgesellscha...

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