I. Kapitalaufbringung
Rz. 24
Sect. 24 (4) CBCA regelt, dass die Articles of Incorporation unterschiedliche Klassen von Anteilen und Ausgabeserien vorsehen können, denen unterschiedliche Rechte oder auch Beschränkungen zugeordnet werden können. Ein Mindestkapital ist, wie bereits ausgeführt, nicht vorgeschrieben, so dass die wirksam gegründete Gesellschaft auch ohne Ausgabe von Anteilen als juristische Person rechtsfähig ist und bleibt. Demgegenüber können die Articles of Association die Höchstzahl der auszugebenden Anteile festsetzen (in einigen Provinzen muss eine solche Höchstgrenze festgeschrieben werden; vgl. hierzu Rdn 32 f. – Kapitalerhöhung). Unter Berücksichtigung der Articles of Associaton, etwaiger By-Laws und etwaiger einstimmiger Gesellschafterbeschlüsse legen die Direktoren fest, wann, an wen und gegen welche Einlagen Anteile ausgegeben werden. Diese werden als "stated capital" in den Büchern der Gesellschaft geführt. Die von den Direktoren der Art und der Höhe nach bestimmte Einlage ist sofort und vollständig zu erbringen, also nur Zug um Zug gegen Ausgabe des Anteils. Regelfall ist die Geldeinlage. Wird eine Sacheinlage zugelassen, so haben die Direktoren die Aufgabe, den Wert der geleisteten Einlage (die auch in geleisteten Diensten bestehen kann, nicht in zu leistenden Diensten!) zu bestimmen. Sie haften in Höhe der Differenz zwischen der Höhe der Einlageverpflichtung und dem tatsächlichen Wert der eingebrachten Sache bzw. Dienste für Werthaltigkeit. Dabei wird grundsätzlich ein Verschulden angenommen, es sei denn, die Direktoren können sich entlasten, indem sie nachweisen, dass sie nicht wussten oder nicht wissen konnten, dass der Wert der eingebrachten Sache oder der geleisteten Dienste nicht dem einzubringenden Wert entsprach.
Rz. 25
Als Sacheinlagen ausdrücklich nicht zugelassen sind Wechsel und Zahlungsversprechen des Anteilsempfängers (da dies dem Gebot der sofortigen vollständigen Einbringung der Einlage widersprechen würde) oder solcher Personen, die dem Anteilsempfänger nicht wie fremde Dritte gegenüberstehen ("at arm`s length" – dieser Begriff ist im Income Tax Act definiert).
Für jede Klasse von Anteilen sowie für jede Ausgabeserie ist ein gesondertes Kapitalkonto einzurichten und fortzuschreiben. Darin ist der volle Wert der für die Ausgabe von Anteilen erhaltenen Gegenleistung (also dann, wenn etwa bei einer Sacheinlage deren Wert höher ist als die festgesetzte, zu erbringende Leistung) der tatsächlich eingebrachte Wert zuzuschreiben. Unter besonderen Voraussetzungen kann auch der tatsächliche Wert einer Sacheinlage dem Kapitalkonto gutgeschrieben werden, ansonsten im Regelfall nur der von den Direktoren festgesetzte Wert. In keinem Fall darf jedoch mehr dem Kapitalkonto gutgeschrieben werden, als der tatsächlich von der Gesellschaft empfangenen Gegenleistung entspricht.
Auf Grundlage einer besonderen Beschlussfassung können dem Kapitalkonto bzgl. bestimmter Anteilsklassen oder Ausgabeserien auch Einlagen zugeschrieben werden, die nicht als Gegenleistung für die Ausgabe von Anteilen gezahlt wurden.
II. Gründerhaftung und Haftung der Direktoren für Einlagen
Rz. 26
Die Einlageverpflichtung der Gründer wurde bereits in Rdn 24 f. dargestellt. Eine anfängliche Einlageverpflichtung besteht bereits mangels eines vorgeschriebenen Mindeststammkapitals nicht. Erst die Direktoren legen fest, wann, an wen und für welche Gegenleistung Anteile ausgegeben werden; die Ausgabe der Anteile darf dann – anders als im deutschen Recht – nur gegen sofortige Volleinzahlung bzw. sofortige Einbringung einer Sacheinlage geschehen (die auch aus bereits geleisteten Diensten bestehen kann, siehe Rdn 24). Legen die Direktoren die zu leistende Einlage zu niedrig fest, so haften sie persönlich. Dies gilt auch, wenn sie die Anteile ausgeben, ohne Zug um Zug die vorgeschriebene Einlage zu vereinnahmen, wobei in diesem Fall die Einlageverpflichtung des Anteilsübernehmers bestehen bleibt. Eine Gründerhaftung im eigentlichen Sinne gibt es damit, soweit es um die Einlageverpflichtung geht, nicht.
Rz. 27
Die Problematik der Haftung vor Eintragung der Gesellschaft in dem Sinne, wie sie aus dem deutschen Recht bekannt ist, existiert im kanadischen Recht in der Praxis eigentlich nicht, da es eine nennenswerte Dauer zwischen Gründung der Gesellschaft und der Erlangung der Rechtsfähigkeit nicht gibt.
Gleichwohl trifft das Gesetz – letztlich auch deshalb, weil es bei seinem Inkrafttreten den Weg einer Online-Gründung noch nicht gab – Regelungen zur Haftung in der Gründungsphase. Sect. 14 (1) CBCA sieht eine persönliche Verpflichtung, gleichzeitig aber auch die Berechtigung einer Person aus einem schriftlichen Vertrag vor, den sie im Namen einer Gesellschaft geschlossen hat, bevor diese existent geworden ist (was mit der Ausstellung des Certificate of Incorporation geschieht, siehe Rdn 10). Dieselbe Haftung besteht, wenn jemand bei Abschluss eines schriftlichen Vertrags vorgibt, für eine Gesellschaft zu handeln, ohne dass diese bereits existent geworden ist. Das Gesetz sieht also eine Handelndenhaftung vor; ob ...