Rz. 66
Das Gesetz sieht als zur Vertretung der Gesellschaft berufene Organe die "directors" (Direktoren) vor, die in ihrer Gesamtheit den "Board of Directors" (meist kurz als "Board" bezeichnet) bilden. Da die Direktoren nicht zwingend für das Tagesgeschäft der Gesellschaft zuständig sind, können sie – wie nachfolgend im Einzelnen ausgeführt – einen von ihnen als Managing Director bestellen oder Leitende Angestellte als "Officers" (President, Vice-President, Secretary bzw. Treasurer) berufen. Welche Befugnisse die Officers jeweils haben, ergibt sich individuell aus den ihnen übertragenen Pflichten und Befugnissen. Generell gelten für sie die gleichen Haftungsmaßstäbe wie für Direktoren selbst, so dass die nachfolgenden Ausführungen im Regelfall für Officers sinngemäß gelten.
Aufgabe der Direktoren ist es, unter Beachtung einstimmiger Gesellschafterbeschlüsse im weitesten Sinne die Geschäfte der Gesellschaft zu führen und das Management zu überwachen (Sect. 102 [1] CBCA). Es muss mindestens ein Direktor vorhanden sein, bei Publikumsgesellschaften mindestens drei, von denen mindestens zwei nicht zugleich officers sein dürfen (Sect. 102 [2] CBCA).
Ausgeschlossen von der Berufung zum Direktor ist, wer unter 18 Jahre alt ist, von einem Gericht (innerhalb oder außerhalb Kanadas) für unzurechnungsfähig bzw. nicht geschäftsfähig erklärt wurde oder aber zahlungsunfähig i.S.d. Konkursgesetzes ist. Juristische Personen können nicht zum Direktor berufen werden und damit die Geschäfte einer anderen Gesellschaft nicht verantwortlich führen (Sect. 105 [1] CBCA). Die Articles of Incorporation können vorsehen, dass nur Gesellschafter zu Direktoren bestellt werden können (Sect. 105 [2] CBCA).
Rz. 67
Grundsätzlich müssen bei nach Bundesrecht gegründeten Gesellschaften mindestens ein Viertel der Direktoren (bei Gesellschaften mit weniger als vier Direktoren wenigstens einer von ihnen) kanadische Staatsbürger mit Wohnsitz in Kanada ("Resident Canadian") sein (Sect. 105 [3] CBCA). Bei weniger als drei Direktoren muss mindestens einer von ihnen Resident Canadian sein (Sect. 105 [3] CBCA). Im Sinne des CBCA umfasst der Begriff des "Resident Canadian" auch andere Personengruppen, darunter Personen, die sich nach dem Einwanderungsgesetz rechtmäßigerweise in Kanada aufhalten und dort ihren Lebensmittelpunkt (nicht lediglich einen Wohnsitz) haben (Sect. 2 [1] CBCA). Gesellschaften mit besonderen Geschäftszwecken, deren Anteile mehrheitlich in kanadischer Hand sein müssen (z.B. Rundfunk, Presse), müssen mehrheitlich Resident Canadians als Direktoren haben (Sect. 105 [3.1] CBCA). Grundsätzlich muss auch mindestens einer der kanadischen Direktoren an Sitzungen des Board teilnehmen, damit dieses beschlussfähig ist (Sect. 114 [3] CBCA).
Damit ist es bei nach Bundesrecht gegründeten Gesellschaften nicht möglich, die Geschäftsführung allein Ausländern zu übertragen. Wegen der Pflichten und Haftungsrisiken, die die Direktoren treffen, wird man auch im Regelfall nur schwer jemanden finden, der diese Positionen lediglich formaliter übernimmt. Befinden sich sämtliche Anteile in einer Hand oder ist der Kreis der Gesellschaft sich einig, so können die Direktoren im Wege einstimmiger Gesellschafterbeschlüsse gelenkt werden (Sect. 122 [2] CBCA) und die Gesellschafter können durch einstimmigen Gesellschafterbeschluss bestimmte Befugnisse, Aufgaben und Rechte der Direktoren (unter Einschluss der damit verbundenen Haftung) an sich ziehen (Sect. 146 [5] CBCA). Dies führt häufig dazu, dass ausländische Gesellschafter auf die Geschäftsführung ihrer kanadischen Tochter- oder Beteiligungsgesellschaften nur in geringem Umfang Einfluss nehmen können. Sie können (entweder generell oder dann, wenn sie mit dem Verhalten der Direktoren nicht mehr zufrieden sind) im Wege eines einstimmigen Gesellschafterbeschlusses nach Sect. 146 (5) CBCA die Geschäftsführungsbefugnis und die damit verbundene Haftung an sich ziehen und damit auch den obligatorischen kanadischen Direktor umgehen. Nicht selten wird die Alternative darin gesehen, eine kanadische Gesellschaft nach dem Recht einer Provinz zu gründen, deren Recht eine Präsenz von Resident Canadians im Board of Directors nicht erfordert. Es sind dies die Provinzen Quebec, Nova Scotia und New Brunswick. Wie eingangs dargestellt, besteht in diesem Fall die Möglichkeit, eine Lizenz für die Ausübung der Geschäftstätigkeit in anderen Provinzen zu beantragen und dort Niederlassungen zu eröffnen, während in der "Gründungsprovinz" nur ein registermäßiger Sitz beibehalten wird.