Rz. 70

Den Direktoren ist die Vertretung der Gesellschaft, die Führung ihrer Geschäfte, darüber hinaus aber auch die Festlegung der Geschäftspolitik übertragen. Damit verfügen sie über eine umfassende Leitungsmacht und sind nach Maßstäben deutschen Rechts grundsätzlich eher mit dem Vorstand einer Aktiengesellschaft zu vergleichen als mit der Geschäftsführung einer GmbH, zumal die Einflussmöglichkeiten der Gesellschafter auch in einer personalistisch geprägten Gesellschaft weitaus geringer sind als im deutschen GmbH-Recht. Während im deutschen GmbH-Recht aufgrund mehrheitlich gefasster Gesellschafterbeschlüsse den Geschäftsführern Weisungen erteilt werden können, bedarf es hierzu nach kanadischem Recht einstimmiger Gesellschafterbeschlüsse.

 

Rz. 71

Auf das Recht der Direktoren, zu Gesellschafterversammlungen geladen und dort angehört zu werden (Sect. 110 [1] CBCA), wurde bereits hingewiesen, ebenso auf die Befugnis, vakante Positionen im Board durch Kooptierung zu besetzen (Sect. 111 [1] CBCA) sowie Officers als Leitende Mitarbeiter – auch mit Befugnis zur Vertretung der Gesellschaft im Außenverhältnis – zu bestellen und ihnen bestimmte Aufgaben zu übertragen (Sect. 121 CBCA). Darüber hinaus können die Direktoren in eigener Zuständigkeit Ausschüsse bilden und diesen in den Grenzen von Sect. 115 (3) CBCA die Befugnisse, die dem Board insgesamt zustehen, übertragen. Gleiches gilt für die Bestellung eines Managing Directors, die ebenfalls in Sect. 115 (1) CBCA vorgesehen ist. Da das Gesetz jedoch nicht, wie bei der Bestellung eines GmbH-Geschäftsführers, an die Bestellung bestimmte Vertretungsbefugnisse knüpft, hängen die Vertretungsbefugnisse eines Managing Directors immer davon ab, welche Befugnisse der Board jeweils auf ihn überträgt – diese können jederzeit erweitert oder eingeschränkt werden, ohne dass dies in öffentlich einsehbarer Form dokumentiert bzw. nachvollzogen wird.

 

Rz. 72

An Ausschüsse des Board bzw. einen von ihm bestellten Managing Director dürfen diejenigen Aufgaben nicht delegiert werden, die im Hinblick auf die Organstellung dem Board diesem selbst vorbehalten sind. Dazu gehören die Einholung von Gesellschafterzustimmungen für genehmigungspflichtige Geschäfte, die Kooptierung von Boardmitgliedern, die Ausgabe von Anteilen, die Festsetzung einer Gewinnausschüttung (die ansonsten Sache des Board und nicht der Gesellschafter ist, vgl. Sect. 42 [1] CBCA) oder der Erwerb eigener Anteile durch die Gesellschaft. Vorbehalten ist dem Board als Gremium ebenfalls die unter bestimmten Voraussetzungen nach Sect. 103 (1) CBCA ihm etwa übertragene Einführung, Ergänzung oder Aufhebung von By-Laws.

 

Rz. 73

Zu den ausdrücklichen Befugnissen des Board gehört es, nicht nur die Vergütung der Officers und sonstigen Angestellten, sondern auch die eigene – unter Beachtung der Articles of Incorporation, der By-Laws und einstimmiger Gesellschafterbeschlüsse – festzulegen (Sect. 125 CBCA). Dies erlaubt allerdings keine beliebige und willkürliche Festsetzung der eigenen Bezüge, da – naturgemäß – auch insoweit die Direktoren die Interessen und die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft im Rahmen ihrer treuhänderischen Pflichten ihr gegenüber zu berücksichtigen haben.

 

Rz. 74

Die Haftung der Direktoren ergibt sich zunächst unmittelbar aus dem jeweils maßgeblichen Gesellschaftsgesetz (CBCA, OCBA) sowie speziellen gesetzlichen Regelungen (Umweltgesetz, Konkursgesetz etc.).

Im Sinne einer Generalklausel schreibt Sect. 122 (1) CBCA vor, dass jeder Direktor (wie auch jeder Officer) bei Ausübung seiner Befugnisse und Erfüllung seiner Pflichten "ehrlich und redlich mit Blick auf die besten Interessen der Gesellschaft" handeln und des Weiteren "die Sorgfalt, Gewissenhaftigkeit und die Fähigkeiten aufbringen soll, die eine vernünftige, umsichtige Person unter vergleichbaren Umständen walten lassen würde". Direktoren stehen, soweit nachfolgend nicht abweichend dargestellt, in Bezug auf deren Haftung die Officers der Gesellschaft sowie sonstige Personen gleich, die wie ein Direktor der Gesellschaft deren Geschäfte führen ("shadow director" oder "de-facto-director"). Die Haftung trifft auch solche Direktoren, die sich an der Leitung des Unternehmens nicht beteiligen. Es ist daher vor der Versuchung zu warnen, sich bei Gründung einer kanadischen Gesellschaft oder Beteiligung an ihr nur aus Statusgründen zum Direktor oder Officer (z.B. zum President) bestellen zu lassen (vgl. insoweit auch die im Wesentlichen korrespondierende Rechtsprechung des BGH zur Geschäftsführerhaftung).

Jeder Direktor und Officer muss in Übereinstimmung mit dem CBCA, den Ausführungsbestimmungen (Regulations), den Articles of Incorporation, den By-Laws sowie einstimmig gefassten Gesellschafterbeschlüssen handeln (Sect. 122 [2] CBCA). Soweit nicht durch einstimmigen Gesellschafterbeschluss die Gesellschafter Maßnahmen der Geschäftsführung und die damit verbundenen Kompetenzen an sich gezogen haben (Sect. 146 [5] CBCA), dürfen weder die Articles of Incorporation, die By-Laws ...

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