Leitsatz
Die betragsmäßige Beschränkung des steuerlichen Abzugs von privaten Krankenversicherungsbeiträgen ist verfassungswidrig. Eine gesetzliche Neuregelung muss bis Anfang 2010 erfolgen.
Sachverhalt
Sachverhalt
Der Kläger, ein selbstständiger Rechtsanwalt, war mit seiner ganzen Familie privat kranken- und pflegeversichert und beantragte den steuerlichen Sonderausgabenabzug für alle geleisteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Bei der Steuerfestsetzung wurden jedoch nur die gesetzlichen Höchstbeträge (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a i. V. mit § 10 Abs. 3 EStG) berücksichtigt, sodass im Ergebnis nur ca. 30 % der tatsächlichen Aufwendungen steuerlich abzugsfähig waren. Der Kläger sah darin einen Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Steuerfreiheit des Existenzminimums und erhob Klage. Der BFH legte die Sache dem BVerfG zur Entscheidung vor.
Entscheidung
Entscheidung
Das BVerfG stellte die Verfassungswidrigkeit des derzeitigen Sonderausgabenabzugs von privaten Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung fest, da die gewährte Steuerentlastung nicht ausreiche, um existenznotwendige Kranken- und Pflegeversicherungsaufwendungen zu tätigen. Alle zur Sicherung des existenznotwendigen Aufwands erforderlichen Versicherungsbeiträge müssten steuerlich berücksichtigt werden. Zu den existenznotwendigen Aufwendungen gehören nicht nur Aufwendungen für Nahrung, Wohnung, Kleidung etc., sondern auch die Kranken- und Pflegeversorgung. Die steuerliche Abzugsfähigkeit der Versicherungsbeiträge müsse sich am Sozialhilfeniveau orientieren, sodass die Privatversicherten keinen vollständigen Abzug ihrer Beiträge beanspruchen könnten. Maßgebend für den Sonderausgabenabzug müsse die Absicherung der Sozialhilfeempfänger im Krankheits- oder Pflegefall sein.
Hinweis
Die Entscheidung des BVerG betrifft vorrangig die steuerliche Abzugsfähigkeit von privaten Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträgen. Sie hat jedoch auch Folgen für die gesetzlich Versicherten, denn der Grundsatz der Sicherung des Existenzminimums gilt für alle Steuerpflichtigen. Zu prüfen ist daher, inwieweit das Leistungsniveau der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung dem Sozialhilfeniveau entspricht.
Die gesetzliche Neuregelung muss eine steuerliche Gleichstellung der gesetzlich und privat Versicherten und die steuerliche Freiheit des Existenzminimums gewährleisten. Dabei sind die bestehenden Systemunterschiede angemessenen zu berücksichtigen. Dies gilt insbesondere für die unentgeltliche Mitversicherung von nicht berufstätigen Ehepartnern und Kindern bei der gesetzlichen Versicherung im Unterschied zur Beitragspflicht aller Familienangehörigen bei der privaten Versicherung. Die bei privat Versicherten übliche Absicherung eines höheren Krankheitsrisikos fällt dagegen ebenso wie der Abschluss von privaten Zusatzversicherungen zur gesetzlichen Versicherung in den Bereich der persönlichen Entscheidungen, für die dem Steuerpflichtigen keine Steuerentlastung zusteht.
Link zur Entscheidung
BVerfG, Beschluss v. 13.2.2008, 2 BvL 1/06.