Prof. Dr. Albert Lamarca i Marquès
Rz. 74
Die Stellung des überlebenden Ehegatten in Katalonien ist einzigartig. In der gesetzlichen Erbfolge hat er mit dem umfassenden Nießbrauch am ganzen Nachlass im Verhältnis zu den Kindern des Erblassers und dem zweiten Rang in der Erbfolge unter Ausschluss der Vorfahren eine sehr starke Position inne. Diese Stellung wird zwar durch die fehlende Verfügungsbefugnis geschwächt, aber seit 2009 besteht die Möglichkeit, den Nießbrauch in ein Viertel des Nachlasses umzuwandeln. In der testamentarischen Erbfolge hingegen ist die Stellung des überlebenden Ehegatten hinsichtlich zwingender Rechte praktisch unerheblich. Der überlebende Ehegatte ist in Katalonien nicht pflichtteilsberechtigt. Zusätzlich ist das gesetzliche und nahezu unumstrittene güterrechtliche System in Katalonien das der Gütertrennung. Das Gesetz gewährt nur ein Recht auf das sog. Witwenviertel, das einen Anspruch gegen den Erben nur für den Fall der Bedürftigkeit des überlebenden Ehegatten zuspricht. In der Tat regelt Art. 452–1 CCCat, dass der überlebende Ehegatte, soweit er auch aus der Erbschaft und seinem eigenen Vermögen seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann, vom Erben die Zahlung eines hierzu notwendigen Betrags bis zu einem Viertel des Nachlasses fordern kann.
Rz. 75
In der Praxis hat das Witwenviertel kaum Bedeutung. Es ist merkwürdig, dass ein Ehegatte nicht zugunsten des anderen verfügen kann, nicht einmal dann, wenn dieser seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann. Um das Witwenviertel einfordern zu können, ist der Klageweg zu beschreiten, wenn der Erbe die Forderung nicht erfüllt. Allerdings sind solche Fälle in der Rechtsprechung äußerst selten; diese treten meistens bei zweiten Ehen auf, wenn ein Testament zugunsten der Kinder der ersten Ehe besteht. Das Witwenviertel verleiht ebenso wie der Anspruch auf den Pflichtteil kein Recht in Bezug auf die Nachlassgegenstände. Der Anspruch auf das Witwenviertel unterliegt der Verjährungsfrist von drei Jahren und erlischt im Falle des Todes des überlebenden Ehegatten.
Rz. 76
Zusätzlich ist zu beachten, dass dem überlebenden Ehegatten nach güterrechtlichen Regelungen des katalanischen Zivilrechts Witwenrechte – sog. familiäre Rechte – zustehen. Diese sind in den Art. 231–30 und 231–31 CCCat geregelt. Der erstgenannte Artikel spricht ein Recht auf den Hausrat zu, so dass der überlebende Ehegatte das Recht auf Eigentum an der Ausstattung des ehelichen Hauses mit Ausnahme der besonders wertvollen Gegenstände hat. Weiterhin hat der überlebende Ehegatte das Recht, ein Jahr lang in der ehelichen Wohnung zu wohnen, sofern kein umfassendes Nießbrauchsrecht besteht, sowie auf Versorgung aus dem Nachlass. Dieses Recht wird als Witwenjahr bezeichnet.
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Dieselben Rechte, die dem Witwer zustehen, werden auch dem Lebenspartner ohne irgendeine Unterscheidung zuerkannt, sofern die Voraussetzungen für die Einstufung als unverheirateter Partner erfüllt sind (Rdn 28 und 29).