Prof. Dr. Albert Lamarca i Marquès
I. Allgemeines
Rz. 10
Das geltende katalanische Recht auf dem Gebiet der Erbfolge ist im IV. Buch des katalanischen Bürgerlichen Gesetzbuches (Gesetz 10/2008, vom 10. Juli) in 379 Artikeln enthalten. Das Gesetz trat am 1.1.2009 in Kraft und ist auf nach diesem Datum verstorbene Personen anwendbar (erste Übergangsbestimmung des Gesetzes 10/2008). Das CCCat hat das vorhergehende Erbgesetzbuch (CS) von 1991 (Gesetz 40/1991, vom 30. Dezember) ersetzt. Gemäß seiner Präambel enthält dieses Erbgesetzbuch eine "unabhängige, vollständige und umfassende Regelung des katalanischen Erbrechts". Vor der Einführung des CS war das katalanische Erbrecht – als unvollständige Regelung – in die Gesetzeskompilation des katalanischen Zivilrechts von 1984 integriert, die die ursprüngliche Gesetzeskompilation von 1960 modifizierte.
Rz. 11
Seit seinem Inkrafttreten hat das IV. Buch des CCat zahlreiche Änderungen erfahren. So durch das Gesetz 25/2010, vom 29.7.2010 über das II. Buch, das Gesetz 6/2015, vom 13.5.2015 über die Harmonisierung des katalanischen Bürgerlichen Gesetzbuches, das Gesetz 3/2017, vom 15.2.2017 über das VI. Buch, welches die Reform des Gesetzes zur freiwilligen Gerichtsbarkeit (Gesetz 15/2015, vom 2.7.2015) in das katalanischen Recht übernommen hat, das Gesetz 10/2017, vom 27.6.2017 zum digitalen Nachlass, und zuletzt durch das Gesetz 6/2019, vom 23.10.2019 zur Gewährleistung der Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung von Menschen mit Sinnesbehinderungen. Diese Reformgesetze müssen insbesondere hinsichtlich der jeweiligen zeitlichen Anwendungsbereiche berücksichtigt werden.
Rz. 12
In der Rechtstradition vor der Kompilation von 1960 verstand sich das katalanische Recht historisch stets als Modifizierung und Aktualisierung des Römischen Rechts als ius commune, das in Katalonien als geltendes Recht übernommen worden war. Im Bereich des Erbrechts war die Übernahme besonders weitreichend, und es ist allgemeine Meinung, dass das moderne katalanische Recht tiefgreifend vom Römischen Recht beeinflusst ist. Dies zeigt sich in verschiedenen geltenden Rechtsinstituten und vor allem in der Anerkennung einiger erbrechtlicher Prinzipien, die im katalanischen Erbrecht maßgebend sind. Es bestehen jedoch auch andere Rechtsinstitute – oft gegenläufig zum Römischen Recht –, die in der Rechtspraxis entwickelt wurden, also gewohnheitsrechtlichen Ursprung haben. Das neue, im CCCat enthaltene Recht, das die vorherige Regelung des Erbgesetzbuches (CS) im in 2002 begonnenen Prozess der Kodifikation aktualisiert hat, hat den Respekt für die Tradition und die nötige Erneuerung und Modernisierung des katalanischen Rechts in Einklang gebracht.
Rz. 13
In der juristischen Tradition Kataloniens spielten die Testamentserrichtungen ebenso wie Erbverträge unter Eheleuten in Eheverträgen eine wichtige Rolle. Die gesetzliche Erbfolge wurde in Katalonien historisch als mangelnde Vorausschau des Erblassers betrachtet. Das Bestehen eines verminderten Pflichtteils von einem Viertel der Erbschaft war ein Institut, das die testamentarische Erbfolge im Gegensatz zur gesetzlichen sehr begünstigte.
Rz. 14
Im Hinblick auf die innere Struktur des IV. Buches des CCCat, die der sequentiellen Reihenfolge der Erbfolge entspricht, enthält Titel I die Allgemeinen Bestimmungen, Titel II beschäftigt sich mit der testamentarischen Erbfolge, Titel III mit Erbverträgen und Titel IV schließlich mit der gesetzlichen Erbfolge. Der Pflichtteil und andere zwingende Zuwendungen sind in Titel V des IV. Buches des CCCat geregelt. Titel VI regelt die Ausschlagung und Annahme der Erbschaft.
Rz. 15
In der Präambel des CCCat bekräftigt der Gesetzgeber, dass das katalanische Recht auf einigen erbrechtlichen Prinzipien beruht, die Bedeutung für sämtliche Rechtsinstitute haben. Die Prinzipien sind die folgenden:
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das Erfordernis eines Erben in der Erbfolge; |
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die Universalität der Erbenstellung; |
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die Unvereinbarkeit von verschiedenen erbrechtlichen Titeln; |
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der Vorrang des freiwilligen Titels; |
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die Unkündbarkeit der Erbenstellung. |
Trotz der Allgemeingültigkeit der Prinzipien gibt es einige Ausnahmen, die jedoch den strukturellen Charakter des Systems unterstreichen.