Prof. Dr. Albert Lamarca i Marquès
Rz. 4
Trotz der Vielzahl der Fälle in der Praxis der gesetzgeberischen Vielfalt hält das spanische Recht kein ausgereiftes und an die tatsächlichen Erfordernisse angepasstes System zur Lösung von Gesetzeskollisionen zwischen den regionalen Regelungen bereit. Nach 149.1.8 CE hat der autonome Gesetzgeber der jeweiligen Region die Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet des Zivilrechts; jedoch fällt die Gesetzgebung für innerstaatliche oder internationale Kollisionsfälle in die ausschließliche Kompetenz des Staates. Dies bedeutet in der Praxis, dass die Kollisionsnormen einseitig vom Staat bestimmt werden, ohne dass ein multilaterales System eigener Vorschriften jeder Autonomen Region mit eigenem Zivilrecht errichtet werden könnte.
Rz. 5
Die Grundnormen des spanischen Internationalen Privatrechts sind in den Art. 8–16 des Einleitenden Abschnitts des spanischen Bürgerlichen Gesetzbuches (Código Civil – CC) enthalten. Das System zur Lösung von Kollisionen zwischen den Regionen besteht auf der Grundlage der Anwendung der allgemeinen Vorschriften des Internationalen Privatrechts sowie einigen Anpassungsnormen. Konkret bestimmt Art. 16 CC lediglich, dass das auf eine Person anzuwendende Zivilrecht durch die vecindad civil ("Gebietszugehörigkeit") bestimmt wird und dass alle Rechtssätze spanisches Recht oder lex fori sind, so dass keine Unklarheit über Qualifikation, Renvoi (gesetzlicher Verweis) und ordre public besteht; im Fall einer Heirat zwischen spanischen Staatsangehörigen wird der Güterstand etwa immer nach einer der spanischen Rechtsordnungen geregelt. In der Rechtspraxis wurden viele Vorschriften des spanischen Internationalen Privatrechts allmählich durch internationale Übereinkommen oder europäische Verordnungen ersetzt, diese bleiben aber für innerstaatliche Kollisionsfälle insoweit umfassend anwendbar, als der spanische Staat keine anderweitige Lösung einführt.
Rz. 6
Einer der in der Praxis wichtigsten Punkte ist die Frage, ob die regionalen Zivilrechtssysteme auf Ausländer anwendbar sind. Dies muss dann bejaht werden, wenn die Kollisionsnorm das Recht einer Region mit eigenem Zivilrecht auf die Erbfolge für anwendbar erklärt. Zweifelsohne besitzen nur Spanier eine "Gebietszugehörigkeit", so dass regionales Recht nur auf Spanier als persönliches Recht anwendbar ist. Allerdings ist das auf den Erblasser anzuwendende Recht ein möglicher Anknüpfungspunkt bei der Behandlung von Kollisionsfällen. Wenn der Anknüpfungspunkt stattdessen etwa die Belegenheit des Vermögens oder die letzte tatsächliche Wohnung oder der amtliche Wohnsitz des Erblassers ist, ist das Recht dieses Ortes oder das Recht, das dort Wirkung entfaltet, anzuwenden.
Rz. 7
Die grundlegende spanische Kollisionsnorm für die Erbfolge ist Art. 9.8 CC, ohne dass über Art. 16 CC hinaus eine Anpassungsregelung für innerstaatliche Rechtskollisionen bestehen würde. Nach dieser Vorschrift ist das katalanische Recht ungeachtet des Wohnortes auf alle Personen anzuwenden, die im Zeitpunkt ihres Todes katalanische "Gebietszugehörigkeit" besessen haben. Spanier erwerben diese Gebietszugehörigkeit mit ihrer Geburt; jedoch ändert sie sich, wenn für mindestens zehn Jahre ein Wohnsitz in einem Gebiet besteht, in dem ein anderes Zivilrecht gilt, sofern der Betroffene nicht eine gegenteilige Absicht äußert. Zudem kann gem. Art. 14.5 CC diese Wirkung auf ausdrücklichen Wunsch im Vorhinein bereits nach zwei Jahren erzielt werden.
Rz. 8
Auf ausländische Erblasser ist eines der spanischen Zivilrechtssysteme anzuwenden, wenn der Anknüpfungspunkt der gewöhnliche Aufenthalt oder Wohnsitz des Erblassers oder die Belegenheit des Vermögens ist. Das setzt die EU-Verordnung fest. Denn wenn sich Art. 21 EuErbVO auf das Gesetz des Staates, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt des Todes hatte, bezieht, muss gem. Art. 36 EuErbVO dieses Gesetz entweder die katalanische oder eine andere örtlich anwendbare Regelung sein. Es muss bedacht werden, dass es in Spanien keine eigenständige spanische Norm gibt, die die innerstaatliche Kollision für den Fall regelt, dass eine ausländische Kollisionsnorm auf das spanische als örtlich geltendes Recht verweist. Wenn der Anknüpfungspunkt der des örtlich anwendbaren Rechts ist, ist zu berücksichtigen, dass in Spanien jedes Zivilrecht unabhängig von persönlichen Kriterien seinen Geltungsbereich besitzt: Die Vielfalt der Gesetzgeber in Spanien richtet sich nach Gebieten, nicht nach Personen.
Rz. 9
Die in Art. 9.8 CC enthaltene Kollisionsnorm bezieht sich auf den Anknüpfungspunkt des Heimatrechts des Erblassers zur Regelung seiner Erbfolge. Diese Norm ist aber für internationale Kollisionsfälle durch die EuErbVO verdrängt worden. Anders als bei Ausländern mit gewöhnlichem Aufenthalt in Spanien, auf die die EuErbVO anzuwenden ist, gilt gem. Art. 38 EuErbVO für spanische Staatsangehörige immer noch das innerstaatliche System zur Lösung von regionalen Kollisionsfällen.