Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 23 WEG, § 25 WEG, § 1011 BGB, § 242 BGB
Kommentar
Um die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums handelt es sich bei allen Maßnahmen, die im Interesse aller Wohnungseigentümer auf die Erhaltung, Verbesserung und normale Nutzung der Anlage gerichtet sind. Auch eine Verfügung über das gemeinschaftliche Eigentum kann darunterfallen und eine Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung darstellen (BGH, NJW 1987, 3177) und damit der mehrheitlichen Beschlussfassung nach § 21 Abs. 3 WEG unterliegen.
Die auf die Übernahme einer Baulast auf das gemeinschaftliche Grundstück zugunsten des Nachbargrundstücks (fehlende Abstandsfläche für ein Bauwerk) gerichtete Beschlussfassung der Wohnungseigentümer ist jedoch keine derartige Maßnahme der Verwaltung. Die Übernahme der bezeichneten Abstandsfläche auf das Grundstück der Wohnungseigentümergemeinschaft bedeutet unmittelbar eine Änderung des Inhalts jedes Eigentums; sie führt nämlich öffentlich-rechtlich zu einem Ausschluss einer anderweitig gegebenenfalls möglichen Bebaubarkeit des Grundstücks auf einer bestimmten Teilfläche.
Die Übernahme der Baulast bedeutet darüber hinaus einen Verzicht auf den den Miteigentümern zustehenden öffentlich-rechtlichen Abwehranspruch gegenüber der geplanten Baumaßnahme wegen Nichteinhaltung der bauordnungsrechtlich erforderlichen Abstandsfläche. Abstandsflächen haben grundsätzlich nachbarschützenden Charakter (hier: § 6 NWBauO). Einen solchen Abwehranspruch kann gem. § 1011 BGB jeder Miteigentümer unabhängig von der Mitwirkung der anderen Miteigentümer geltend machen (OVG Saarland, Baurecht 1971, 111/112). Steht danach dem einzelnen Miteigentümer ein Abwehrrecht gegen eine bauordnungswidrige Maßnahme individuell und nicht gemeinschaftsbezogen zu, kann in diese Rechtstellung des Miteigentümers nicht durch mehrheitliche Beschlussfassung eingegriffen werden. In diesem Sinne hat der Senat bereits durch Beschluss v. 13. 3. 1986 ( OLG Hamm, Beschluss v. 13.3.1986, Az.: 15 W 100/856) entschieden, dass die Zustimmung zu einer geplanten Baumaßnahme des Nachbarn im Rahmen einer durch die Bauaufsichtsbehörde veranlassten Anhörung im Baugenehmigungsverfahren nicht der mehrheitlichen Beschlussfassung der Eigentümer unterliegt. Das Gemeinschaftsverhältnis der Eigentümer verpflichtet diese zwar in besonderer Weise zur gegenseitigen Rücksichtnahme; diese aus Treu und Glauben ( § 242 BGB) abzuleitende Verpflichtung bezieht sich jedoch ihrerseits lediglich auf die gemeinschaftliche Verwaltung und Nutzung der Anlage. Hieraus eine rechtliche Verpflichtung herzuleiten, zugunsten des Grundstücksnachbarn als Dritten der Übernahme einer Baulast zuzustimmen, ist nicht vertretbar.
Link zur Entscheidung
( OLG Hamm, Beschluss vom 13.11.1990, 15 W 330/90)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer