Leitsatz

Das Eigentumsrecht des Art. 14 GG ist auch dann nicht tangiert, wenn die Gesamtbelastung mit Einkommen- und Gewerbesteuer 50 % des zu versteuernden Einkommens überschreitet.

 

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines Gewerbebetriebs und wurde 1994 zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt. Auf der Grundlage eines zu versteuernden Einkommens von 622878 DM setzte das Finanzamt die Einkommensteuer auf 260262 DM fest. Die von der Gemeinde festgesetzte Gewerbesteuer belief sich auf 112836 DM. Gegen den Einkommensteuerbescheid 1994 legten die Eheleute Einspruch ein und rügten, die Steuerfestsetzungen verstießen insgesamt gegen den "Halbteilungsgrundsatz", da die Gesamtbelastung des Einkommens mit Steuern über 50 % liege. Der Einspruch, die Klagen vor dem FG und dem BFH sowie die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde blieben ohne Erfolg.

 

Entscheidung

Aus der Rechtsprechung des BVerfG[1] resultiert keine verbindliche verfassungsrechtliche Obergrenze für die Gesamtbelastung mit Einkommen- und Gewerbesteuer. Vielmehr ging es in der Entscheidung vom 22.6.1995[2] allein um die Grenze der Gesamtbelastung des Vermögens durch eine Vermögensteuer, die neben der Einkommensteuer erhoben wird. Die daraus entstehende Belastungswirkung ist nicht ohne weiteres mit der Belastungswirkung vergleichbar, die durch die Einkommen- und Gewerbesteuer entsteht.

Zwar fällt die Steuerbelastung allgemein in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. Der innerhalb einer Besteuerungsperiode erfolgte Hinzuerwerb von Eigentum ist tatbestandliche Voraussetzung für die belastende Rechtsfolgenanordnung sowohl des EStG als auch des GewStG. Der Steuerpflichtige muss zahlen, weil und soweit seine Leistungsfähigkeit durch den Eigentumserwerb erhöht ist.

Der Zugriff auf das Eigentum ist jedoch gerechtfertigt. Aus der Verfassung lässt sich keine allgemein verbindliche absolute Belastungsobergrenze i.S. eines "Halbteilungsgrundsatzes" ableiten. Der Wortlaut des Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG[3] kann nicht als ein striktes, grundsätzlich unabhängig von Zeit und Situation geltendes Gebot hälftiger Teilung zwischen Eigentümer und Staat gedeutet werden. Vielmehr wird die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei der Bestimmung von Steuerlasten nur durch die allgemeinen Grundsätze der Verhältnismäßigkeit begrenzt. Dabei ist wesentlich zu berücksichtigen, dass die Intensität der Steuerbelastung insbesondere bei der Einkommensteuer nicht allein durch die Höhe des Steuersatzes bestimmt wird, sondern erst durch die Relation zwischen Steuersatz und Bemessungsgrundlage. Je breiter die Bemessungsgrundlage ausgestaltet ist[4], desto belastender wirkt sich derselbe Steuersatz für die Steuerpflichtigen aus.

Ferner ist zu bedenken, dass die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich zur Besteuerung niedrigerer Einkommen angemessen ausgestaltet werden muss. Wählt der Gesetzgeber einen progressiven Tarifverlauf, ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, hohe Einkommen auch hoch zu belasten. Dem betroffenen Steuerpflichtigen muss nach Abzug der Steuerbelastung nur ein hohes frei verfügbares Einkommen verbleiben.

Auch wenn dem Übermaßverbot keine zahlenmäßig zu konkretisierende allgemeine Obergrenze für die Besteuerung entnommen werden kann, darf die steuerliche Belastung auch höherer Einkommen allerdings nicht so weit gehen, dass der wirtschaftliche Erfolg grundlegend beeinträchtigt wird und damit nicht mehr angemessen zum Ausdruck kommt. Im Streitfall wurde diese Grenze aber nicht tangiert.

 

Link zur Entscheidung

BVerfG-Beschluss vom 18.1.2006, 2 BvR 2194/99

[1] Vgl. zum "Halbteilungsgrundsatz" grundlegend BVerfG-Beschluss vom 22.6.1995, 2 BvL 37/91, INF 1995, S. 571
[2] Vgl. ebenda
[3] "Der Gebrauch des Eigentums soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen."
[4] Etwa durch Abschaffung oder Kürzung von Abzugsmöglichkeiten

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