Leitsatz
Im geltenden Unterhaltsrecht gilt der Grundsatz, dass niemand durch Unterhaltszahlungen selbst sozialhilfebedürftig werden darf. Das OLG Düsseldorf hat sich in seiner Entscheidung mit der Frage auseinandergesetzt, ob ein Empfänger von Leistungen nach dem SGB II einen anrechnungsfreien Hinzuverdienst erzielen kann, der ihn in die Lage versetzt, zumindest teilweise den Unterhalt für sein unterhaltsberechtigtes Kind aufzubringen.
Sachverhalt
Das im Jahre 1995 geborene antragstellende Kind ist der Sohn der im Jahre 1967 geborenen Antragsgegnerin. Nachdem das Kind zunächst bei seiner Mutter gelebt hatte, war es nach einem vorübergehenden Heimaufenthalt im Oktober 2009 in den Haushalt seines Vaters gewechselt und begehrte von seiner Mutter Unterhalt.
Die Antragsgegnerin hatte die Sonderschule ohne Abschluss besucht und verfügte über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Sie hatte mit 20 Jahren ihr erstes Kind bekommen und war danach nicht mehr versicherungspflichtig tätig. Aktuelle Arbeitsbemühungen wurden von ihr in geringem Umfang belegt. Zum Zeitpunkt des Unterhaltsrechtsstreits arbeitete sie täglich 3 bis 4 Stunden als Haushaltshilfe bei der behinderten Schwester ihres Freundes und erhielt hierfür monatlich 150,00 EUR. Ergänzend bezog sie Leistungen nach dem SGB II.
Das AG hat die Antragsgegnerin zur Zahlung des Mindestunterhalts verpflichtet. Sie sei zwar gegenwärtig nicht leistungsfähig, könne aber neben dem Bezug von SGB II Leistungen in einer Höhe anrechnungsfrei hinzuverdienen, dass sie den Unterhalt aufbringen könnte.
Mit ihrer Beschwerde verfolgte die Antragsgegnerin ihren erstinstanzlichen Abweisungsantrag weiter. Ihr Rechtsmittel hatte Erfolg.
Entscheidung
Das OLG hat der Beschwerde stattgegeben und den Antrag abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Antragsgegnerin einen Stundenlohn von 11,10 EUR erzielen müsse, um den verlangten Unterhalt leisten zu können. Ein solches Einkommen sei für sie nach ihrer Ausbildung und bisherigen Erwerbsbiographie nicht erzielbar. In vergleichbaren Fällen werde verbreitet lediglich ein Stundenlohn von 6,00 EUR bis maximal 7,50 EUR erzielt. Der Tariflohn im Reinigungsgewerbe liege zwar bei 8,55 EUR, dort würden jedoch überwiegend Teilzeitkräfte beschäftigt. Trotz unzureichender Erwerbsbemühungen sei die Antragsgegnerin daher als leistungsunfähig anzusehen. Da sie kein anrechenbares Nettoeinkommen von mehr als 800,00 EUR erreichen könne, komme eine weitere Herabsetzung ihres Selbstbehalts auch dann nicht in Betracht, wenn sie mit ihrem neuen Partner zusammenlebe.
Der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts, das von einem anrechnungsfreien Hinzuverdienst ausgegangen war, war nach Auffassung des OLG nicht zu folgen, da der Abzug eines titulierten Unterhalts nur sicherstellen solle, dass ein Leistungsempfänger bei der Prüfung seiner Bedürftigkeit nicht auf Einkommen verwiesen werde, über das er nicht verfügen könne. Die sozialrechtliche Anrechnungsfreiheit bestimmter Bestandteile des Einkommens könne daher auch nicht mittelbar eine Ausweitung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit bewirken.
Link zur Entscheidung
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.06.2010, II-8 UF 46/10