Leitsatz
Ist die Vertretung durch verschiedene Rechtsanwälte für die vorprozessuale Tätigkeit einerseits und das gerichtliche Verfahren andererseits zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig, sind deshalb dadurch bedingte Mehraufwendungen nicht zu erstatten.
Sachverhalt
Die Klägerin machte im Klageverfahren vorgerichtliche Anwaltskosten als Nebenkosten geltend. Sie war vorprozessual von einem anderen Rechtsanwalt vertreten worden. Diese wurden antragsgemäß (0,75 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG) im Urteil tituliert. Im Kostenfestsetzungsantrag beantragte die Klägerin, gegen den Beklagten die Kosten des Verfahrens festzusetzen. Die Rechtspflegerin berücksichtigte dabei die Hälfte der vorgerichtlich entstandenen und titulierten Geschäftsgebühr nicht. Hiergegen richtete sich die Erinnerung des Klägers (§§ 104 Abs. 3, 567 Abs. 2 ZPO, 11 Abs. 2 Satz 1 RpflG), die im Ergebnis erfolglos war.
Nach Auffassung des Gerichts wurde im Rahmen der Kostenfestsetzung zu Recht eine fiktive Anrechnung der hälftigen Geschäftsgebühr entsprechend Vormerkung 3 Abs. 4 RVG VV vorgenommen, denn die unterliegende Partei hat gem. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPOnur die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten. Die aus Sicht einer wirtschaftlich denkenden Partei nicht als erforderlich erscheinenden Aufwendungen sind nicht notwendig i. S. d. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO und gehen zulasten der obsiegenden Partei. § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO, wonach die Kosten mehrerer Rechtsanwälte nur insoweit zu erstatten sind, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder ein Wechsel eintreten musste, betrifft zwar grundsätzlich nur den Anwaltswechsel während des gerichtlichen Verfahrens, kann aber bei der Beurteilung, ob Aufwendungen notwendig waren, auch in anderen Fällen herangezogen werden.
Ist die Vertretung durch verschiedene Rechtsanwälte für die vorprozessuale Tätigkeit einerseits und das gerichtliche Verfahren andererseits zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig, sind die Mehraufwendungen im Rahmen des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht zu erstatten.
Hinweis
Im Rahmen des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO und der Frage, welche Kosten von der unterliegenden Partei zu erstatten sind, besteht immer die Gefahr einer fiktiven Anrechnung. Eine wirtschaftlich denkende Partei wird angesichts der höheren Kosten keinen anderen Rechtsanwalt mit der Prozessführung betrauen, sofern nicht andere gewichtige Gründe den Wechsel erfordern. Anwälte müssen ihre Mandanten immer darauf hinweisen, dass bei einem Anwaltswechsel auch im Fall des Obsiegens die Kostenerstattung nicht zwangsläufig in voller Höhe erfolgt. Sinnvollerweise sollte der Hinweis vor der Auftragserteilung erfolgen.
Link zur Entscheidung
AG Nürtingen, Beschluss vom 24.02.2010, 42 C 1524/09.