Leitsatz
Der EuGH hat entschieden, dass bei einem Widerruf ein Verbraucher nur dann Wertersatz zahlen muss, wenn er die Ware mehr abgenutzt hat, als es ein Testen erfordert.
Sachverhalt
Wer als Verbraucher seine Bestellung über das Internet widerruft und die Ware zurücksendet, muss nach deutschem Recht dem Internethändler Wertersatz für die zwischenzeitliche Nutzung der Ware zahlen. Das AG Lahr hatte offensichtlich Zweifel an der Berechtigung dieser Regel und stellte dem EuGH die Frage, ob ein solcher pauschaler Wertersatz mit der Fernabsatzrichtlinie vereinbar ist. Diese bestimmt, dass die einzigen Kosten, die einem Verbraucher im Fall des Widerrufs auferlegt werden können, die unmittelbaren Kosten für die Rücksendung der Ware sind. Im zu entscheidenden Fall hatte eine Frau über das Internet ein gebrauchtes Notebook gekauft. 8 Monate nach dem Kauf stellte sie einen Defekt am PC fest. Als der Händler die kostenlose Beseitigung des Mangels ablehnte, widerrief die Kundin den Kaufvertrag – fristgemäß, weil das Unternehmen sie nicht über die Möglichkeit eines Widerrufs belehrt hatte. Sie verlangte vom Internet-Händler den Kaufpreis für das Notebook in Höhe von fast 300 EUR zurück – Zug um Zug gegen Rückgabe des defekten PC.
Der Händler weigerte sich auf die Forderung einzugehen. Vor dem AG trug er vor, dass die Kundin für die 8 Monate Nutzung auf jeden Fall Wertersatz zu leisten habe; nach seinen Berechnungen um die 300 EUR.
Der EuGH entschied: Das Widerrufsrecht darf nicht mit finanziellen Nachteilen für den Verbraucher verknüpft sein, da dies den Kunden davon abhalten könnte, sein Recht auszuüben. Auch muss es dem Verbraucher ohne weitere Kosten möglich sein, die Ware nach Zusendung zu testen und auszuprobieren, weil er das vor Vertragsabschluss, anders als in einem Ladengeschäft, im virtuellen Online-Shop nicht kann. Daher ist ein pauschaler Wertersatz für die Fälle, dass der Verbraucher die Ware nutzt, nicht vereinbar mit der Richtlinie.
Der Schutz des Verbrauchers endet nach den Zielen der Richtlinie jedoch dort, wo er die Ware mehr nutzt als ein Ausprobieren es erfordert. Dann kann ein Händler sehr wohl Wertersatz fordern. Allerdings gelten zum Schutz des Verbrauchers hier wiederum 2 Einschränkungen:
- Der dann zu zahlende Wertersatz darf nicht außer Verhältnis zum Kaufpreis für die Ware stehen.
- Nicht der Verbraucher muss nachweisen, dass er die Ware nur zu Testzwecken genutzt hat, sondern der Händler muss beweisen, dass sein Kunde die Ware mehr als nur getestet hat.
Hinweis
Internet-Händler sollten ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen anpassen. Hier gilt: Klauseln zum Wertersatz sollten den Test der Ware durch den Verbraucher ausdrücklich ausnehmen.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 03.09.2009, C-489/07.