Zusammenfassung
Gewährt ein außenstehender Dritter dem Gesellschafter des später insolventen Unternehmens ein Darlehen, das an das Unternehmen weitergereicht wird, kann die spätere direkte Rückzahlung an den Dritten diesem gegenüber nicht als Zahlung auf ein Gesellschafterdarlehen angefochten werden.
Hintergrund
Der Beklagte hatte dem Gesellschafter des später insolventen Unternehmens im Januar 2012 ein Darlehen gewährt. Das Darlehen sollte vereinbarungsgemäß der Beseitigung einer eingetretenen Liquiditätslücke bei der Gesellschaft dienen. Den Darlehensbetrag überwies der Beklagte direkt an das Unternehmen. Zum 05.10.2012 zahlte die Gesellschaft das ausgegebene Darlehen direkt an den Beklagten zurück. Nachdem im Juni 2013 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, focht der klagende Insolvenzverwalter die Rückzahlung des Darlehens an und verlangte die Rückgewähr des Betrags.
Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 27.02.2020, Az. IX ZR 337/18
Nachdem die Vorinstanzen der Klage noch stattgegeben hatten, hat der BGH diese vollumfänglich abgewiesen. Denn die Rückzahlung des Darlehens an den gesellschaftsfremden Darlehensgeber sei nicht als Zahlung auf ein Gesellschafterdarlehen oder auf eine dem gleichgestellte Forderung (§ 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO) anfechtbar. Der Beklagte ist außenstehender Dritten und auch bei wirtschaftlicher Betrachtung stehe der Beklagte einem Gesellschafter nicht gleich, so dass die Voraussetzungen für eine Anfechtung nicht gegeben seien. Die Zahlung an den Beklagten sei auch nicht anderweitig anfechtbar, insbesondere als unentgeltliche Leistung (§ 134 InsO). Denn zwischen Gesellschafter und dem später insolventen Unternehmen habe ein Darlehensvertrag bestanden. Der daraus resultierende Rückzahlungsanspruch des Gesellschafters, sei mit der Zahlung an den Beklagten erloschen, so dass keine sog. unentgeltliche Leistung vorliege.
Anmerkung
Im eröffneten Insolvenzverfahren kann der Insolvenzverwalter Zahlungen auf ein Gesellschafterdarlehen, die innerhalb des letzten Jahrs vor Stellung des Insolvenzantrags geleistet wurden, ohne weitere Voraussetzungen anfechten und damit deren Rückzahlung verlangen. Um Umgehungen dieser Vorschrift zu vermeiden, gilt dieser strenge Maßstab auch bei Forderungen, die nach wirtschaftlicher Betrachtung einem Gesellschafterdarlehen gleichzustellen sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Darlehen nicht direkt vom Gesellschafter gewährt wird, sondern von einem Unternehmen, das vom Gesellschafter beherrscht wird. Denn der Gesellschafter soll sich seiner Finanzierungsverantwortung nicht dadurch entziehen können, dass er ein oder mehrere Gesellschaften zwischenschaltet.
Im vorliegenden Fall war eine solche Konstellation jedoch nicht gegeben, denn der Beklagte hatte keinerlei rechtliche Verbindung zu dem insolventen Unternehmen und stand auch bei wirtschaftlicher Betrachtung einem Gesellschafter nicht gleich. Die Tatsache, dass der Beklagte das Darlehen an den Gesellschafter ausgegeben hatte, änderte hieran ebenfalls nichts. Die Entscheidung des BGHs ist daher begrüßenswert und zeigt zugleich auch wie komplex das Anfechtungsrecht gerade bei Mehrpersonenverhältnissen ist. Als Insolvenzverwalter sollte man daher die Vertrags- und Leistungsbeziehungen zunächst immer separat betrachten. Im vorliegenden Fall hatte die Zahlung der Gesellschaft direkt an den Beklagten auch gleichzeitig die Rückzahlung des Darlehens gegenüber dem eigenen Gesellschafter bewirkt. Eine Anfechtung gegenüber dem Gesellschafter hätte daher – sofern dieser solvent ist – wohl Erfolg gehabt.