Leitsatz
Der vollschichtig erwerbstätige Beklagte war gegenüber zwei minderjährigen Kindern aus seiner geschiedenen Ehe barunterhaltspflichtig. Seiner geschiedenen Ehefrau stand ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt nicht zu.
Der Beklagte war wieder verheiratet. Aus seiner zweiten Ehe stammten zwei weitere minderjährige Kinder, deretwegen seine zweite Ehefrau Leistungen nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz erhielt. Es lag ein absoluter Mangelfall vor.
Das Berufungsgericht hatte das gezahlte Erziehungsgeld im Rahmen der Mangelverteilung mit den Kindern aus der früheren Ehe auf den eigenen Unterhaltsanspruch der zweiten Ehefrau als eigenes Einkommen bedarfsmindernd angerechnet.
Der BGH hat der Anrechnung widersprochen und das Urteil aufgehoben.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Der BGH lehnte für die vorliegende Fallkonstellation die Berücksichtigung des Erziehungsgeldes ab. In seiner Beurteilung der unterhaltsrechtlichen Qualität des Erziehungsgeldes bezog er sich auf seine zuvor ergangene Entscheidung (BGH; Urteil vom 12.04.2006 - XII ZR 31/04), wonach dieser Leistung keine Lohnersatzfunktion zukomme, weil sie auch an Eltern gezahlt werde, die zuvor nicht erwerbstätig waren. Regelmäßig solle das Erziehungsgeld dem Berechtigten ungeschmälert zugute kommen und nicht als anrechenbares Einkommen bei der Bemessung von Unterhaltsansprüchen berücksichtigt werden.
Soweit § 9 S. 2 BErzGG zur Vermeidung grober Ungerechtigkeiten im Einzelfall Ausnahmen zulasse, seien zwei Fallgestaltungen zu unterscheiden:
Soweit § 9 S. 2 BErzGG i.V.m. §§ 1579 und 1611 BGB eine Ausnahme von dem Grundsatz der Nichtanrechnung des Erziehungsgeldes zulasse, betreffe dies nur den Unterhaltsberechtigten als Erziehungsgeldempfänger. Die hier zugrunde liegenden Billigkeitsregeln erforderten eine unterhaltsrechtliche Korrektur, weil es anderenfalls zu groben Ungerechtigkeiten führen würde, wenn das Erziehungsgeld bei der Unterhaltsbemessung keine Berücksichtigung fände. Den Unterhaltspflichtigen als Erziehungsgeldempfänger könne diese Regelung nicht treffen, weil sie hier zu einer Erhöhung des Anspruchs führen würde.
Die Ausnahmeregelung des § 9 S. 2 BErzGG i.V.m. § 1603 Abs. 2 BGB erfasse die Fälle des Unterhaltspflichtigen als Erziehungsgeldempfänger, weil es nur dann dem Gebot der Billigkeit entspreche, den Unterhaltsverpflichteten angesichts seiner gesteigerten Unterhaltspflicht auf das Erziehungsgeld zurückgreifen zu lassen. Soweit das Erziehungsgeld bei seiner Einbeziehung in die Unterhaltsbemessung auch den Anspruch auf Familienunterhalt mindernd beeinflussen könne, folgte der BGH der überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur, wonach das Erziehungsgeld nur gegenüber den Unterhaltsansprüchen der eigenen unterhaltsberechtigten Kinder anzurechnen sei, nicht aber gegenüber den Kindern aus früherer Ehe des Unterhaltsverpflichteten, denen die zweite Ehefrau nicht unterhaltsverpflichtet ist. Ihnen gegenüber kann das Erziehungsgeld also auch nicht bei Ermittlung ihres Anspruchs auf Familienunterhalt bedarfsmindernd herangezogen werden.
In dem vom BGH entschiedenen Fall wurde das Erziehungsgeld nicht an den unterhaltspflichtigen Beklagten, sondern an seine zweite Ehefrau ausgezahlt, die seinen Kindern aus erster Ehe zum Unterhalt nicht verpflichtet war. Deshalb müsse hier die sozialpolitische Zielrichtung des Erziehungsgeldes voll zum Tragen kommen. Dem stehe auch nicht entgegen, dass die zweite Ehefrau ihren eigenen minderjährigen Kindern - abweichend von der Regelvorgabe des § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB - ausnahmsweise Barunterhalt schulden könnte. Dazu müsse sie mit der Summe ihres im Wege der Mangelfallberechnung ermittelten gekürzten Unterhalts und des anrechnungsfreien Erziehungsgeldes Einkünfte erlangen, die über ihren Bedarf hinausgingen. Ein solches Ergebnis scheide allerdings im absoluten Mangelfall regelmäßig aus. Die zweite Ehefrau des Beklagten wäre ihren eigenen minderjährigen Kindern im Übrigen allenfalls in dem Maße barunterhaltspflichtig, indem ihr Gesamteinkommen ihren eigenen Selbstbehalt übersteige.
Hinweis
Fälle vorliegender Art werden sich mit Änderung des Unterhaltsrangs zugunsten des zweiten Ehegatten häufen. Während dessen eigene unterhaltsrechtliche Situation angesichts der regelmäßigen Nachrangigkeit heute meistens keine Rolle spielt, wurde sie hier zur zentralen Frage, nachdem der Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau rechtskräftig abgewiesen worden war und die zweite Ehefrau mit ihrem eigenen Unterhaltsanspruch gleichrangig neben die Kinder aus zwei Verbindungen trat.
Die Frage gleichrangigen Familienunterhalts zählt zu den leistungsmindernden Einwendungen des Unterhaltsverpflichteten, der bei der Bemessung dieses Anspruchs gegenüber den Kindern aus erster Ehe die Einkünfte des neuen Ehepartners differenziert zu betrachten und unter Ausschluss von Erziehungsgeldleistungen in die Unterhaltsberechnung einzubeziehen hat.
Die Entscheidung des BGH ist auch im Hinblick auf die dort enthaltenen weiteren T...