Leitsatz
Anlässlich der ärztlichen Untersuchung eines am 13.12.2004 geborenen Jungen waren bei ihm Hämatome an den Oberarmen und ein kleines Hämatom am linken Augenrand festgestellt worden. Bei einer weiteren Untersuchung am gleichen Tage in einer Kinderklinik wurden weitere Verletzungen festgestellt, u.a. Kratzspuren am Kopf des Säuglings sowie abgeheilte Rippenfrakturen.
Kurz nach den ärztlichen Untersuchungen wurde das Kind vom Jugendamt in Obhut genommen und in eine Bereitschaftspflegestelle gegeben. Das AG hat den Eltern gem. § 1666, 1666a BGB vorläufig die Personensorge entzogen und auf das Jugendamt übertragen. Seit August 2005 hielt sich der Säugling bei einer Pflegefamilie auf.
Die Eltern machten unterschiedliche Angaben über die Entstehung der Verletzungen ihres Sohnes und bestritten eine Kindesmisshandlung. Das FamG holte ein Sachverständigengutachten zur Ursache der Verletzungen ein und bestätigte in der Hauptsache den Sorgerechtsentzug.
Hiergegen legten beide Eltern Beschwerde ein. Ihre Rechtsmittel hatten Erfolg.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG kam zu dem Ergebnis, nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand seien die Voraussetzungen für eine Entziehung des Personensorgerechts nicht gegeben.
Der Entzug des Personensorgerechts als Bestandteil der elterlichen Sorge dürfe nur als außergewöhnliches Mittel angeordnet werden, wenn andere Maßnahmen zur Beseitigung der Kindeswohlgefährdung nicht in Frage kämen. Die Beurteilung, ob eine solche Situation vorliege, erfordere eine Prognose, deren Grundlage in der Regel aus Vorfällen in der Vergangenheit gebildet werde.
Konkrete Anhaltspunkte für eine gesundheitliche Gefährdung des Kindes reduzierten sich auf dasjenige, was bis zur Einrichtung der Bereitschaftspflege im Dezember 2004 festzustellen gewesen sei. Hierzu habe der Sachverständige festgestellt, dass diese Verletzungen mit hoher Wahrscheinlichkeit nach der Geburt des Kindes (22.10.2004) verursacht worden seien.
Den Eltern sei in diesem Zusammenhang insbesondere vorzuwerfen, dass sie keine nachvollziehbare Erklärung für das Zustandekommen der Verletzungen gegeben hätten. Ihre Erklärungen hätten sich in Vermutungen erschöpft. Im Übrigen hätten sie die Verantwortung für die Verursachung der festgestellten Verletzungen nicht vorbehaltlos übernommen. Hierauf lasse sich allerdings nicht die Prognose stützen, dass es auch in Zukunft zu Misshandlungen des Kindes kommen werde.
Nach dem Ergebnis der Ermittlungen könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Eltern ihren Sohn im Sinne einer vorsätzlichen Verursachung der festgestellten Verletzungen misshandelt hätten. Anhaltspunkte hierfür hätten sich nicht ergeben. Vielmehr sei das OLG aufgrund der angestellten Ermittlungen davon ausgegangen, dass die Verletzungen die Folge eines unsachgemäßen, nicht kleinkindgerechten Umgangs mit dem Kind in seinen ersten Lebenswochen gewesen seien, wobei konkrete Ursachen rückwirkend angesichts der Vielzahl der hierfür in Frage kommenden Erklärungen nicht ermittelt werden könnten.
Im Hinblick darauf könne aus dem Sachverhalt nicht abgeleitet werden, die Eltern seien grundsätzlich nicht erziehungsgeeignet und ihr Kind müsse zu seinem eigenen Schutz für immer von ihnen getrennt werden. Einzelne Erziehungsfehler reichten zur Rechtfertigung einer Trennung von Eltern und Sohn nicht aus. Nicht jedes Versagen der Eltern berechtige den Staat, diese von der Pflege und Erziehung ihres Kindes auszuschalten oder gar selbst diese Aufgabe zu übernehmen. Maßnahmen nach §§ 1666, 1666a BGB setzten vielmehr ein schwerwiegendes Fehlverhalten und entsprechend eine erhebliche Gefährdung des Kindeswohls voraus. Die festgestellten Verletzungen hätten trotz ihrer Schwere insgesamt betrachtet nicht das Gewicht, um eine erhebliche Gefährdung des Kindes für die Zukunft befürchten zu lassen. Kindesmisshandlungen in der hier vorliegenden Form seien nicht per se "Wiederholungstaten". Es spreche nichts dagegen, dass sich die Eltern das vorliegende Verfahren zur Lehre gereichen ließen und in Zukunft - eventuell auch unter sachkundiger Anleitung - sorgfältiger und kindgerechter mit ihrem Sohn umgingen.
Im Übrigen seien Maßnahmen nach § 1666a BGB, die mit einer Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden seien, nur dann zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise begegnet werden könne. Hierzu sei vonseiten des erstinstanzlichen Gerichts und des Jugendamtes nicht Konkretes erwogen worden. Das OLG halte es für durchaus möglich, durch eine intensive ärztliche Kontrolle verbunden mit therapeutischer Beratung der Eltern eine Situation zu schaffen, die eine weitere Gefährdung des Kindes ausschließe. Ebenso wie die Verfahrenspflegerin habe das OLG die Auffassung vertreten, es sei unverständlich, dass die Eltern in diesem Zusammenhang vom Jugendamt nicht auf anderweitige Beratungsangebote und Hilfen hingewiesen worden seien. Offenbar hätten sich die Fronten zwischen den Eltern und dem Jugendamt verhärtet, wozu auch die Einsch...