Zusammenfassung
Der Erwerber eines Kommanditanteils haftet nicht für eine vorvertragliche Aufklärungspflichtverletzung des Veräußerers, die diesem von einem Anleger der Fonds-KG zur Last gelegt wird.
Hintergrund
Der Kläger hatte sich im Jahr 2011 aufgrund eines Prospekts an einem Investmentfonds in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG als (Treugeber-)Kommanditistin beteiligt. Gründungs- und Treuhandkommanditistin war die S-GmbH. Gewinnausschüttungen und Kapitalrückgewähr sollten im Wesentlichen aus dem Verkauf von Erdöl- oder Erdgas erwirtschaftet werden. Die Komplementärin des Fonds hatte den Geschäftsbetrieb der KG in Ausübung einer ihr gesellschaftsvertraglich eingeräumten Ermächtigung in eine ausländische Aktiengesellschaft in der Rechtsform der Société Anonyme (S.A.) eingebracht. Über die erhaltenen Ausschüttungen hinaus wurden der Klägerin Aktien an dieser Aktiengesellschaft zugeteilt, die die Klägerin allerdings wegen einer Vinkulierungsklausel nicht frei veräußern konnte.
Im Jahr 2015 erwarb die Beklagte den Kommanditanteil von der S-GmbH und übernahm in diesem Zusammenhang deren Stellung als Treuhänderin.
Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin von der Beklagten wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung die Zahlung von Schadensersatz (sowie die gerichtliche Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz weiterer und künftiger Schäden).
Das Landgericht Stade hat die Beklagte antragsgemäß zum Schadensersatz verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten vor dem OLG Celle blieb erfolglos. Daraufhin wandte sich die Beklagte mit ihrer Revision an den Bundesgerichtshof.
Das Urteil des BGH vom 15.09.2020, Az. II ZR 20/19
Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des OLG Celle aufgehoben, das Urteil der Eingangsinstanz abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Das Landgericht hatte entschieden, dass der Kläger nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne darüber aufgeklärt hätte werden müssen, dass die Komplementärin des Fonds nach dessen Gesellschaftsvertrag ermächtigt war, den KG-Geschäftsbetrieb in ein anderes Unternehmen einzubringen. Durch eine solche Ermächtigung sei nämlich der Vertragszweck (nach dem Prospekt eine zeitlich begrenzte Kapitalanlage) gefährdet gewesen.
Die hier entscheidende Frage war allerdings, ob ein solcher Anspruch der Klägerin wirklich gegenüber der Beklagten bestand, die den Fonds nicht aufgelegt hatte und auch an der Erstellung des Prospektes nicht beteiligt gewesen war. Dies bejahte das Landgericht mit der Begründung, die Beklagte trete im Wege der "Sonderrechtsnachfolge" in die Rechtsbeziehungen zwischen der Gründungs- und Treuhandkommanditistin (S-GmbH) auf der einen Seite und den einzelnen Treugebern (zu denen die Klägerin zählte) auf der anderen Seite ein. Die Beklagte könne sich, so das Landgericht, hier nicht darauf berufen, durch die Übernahme des Kommanditanteils lediglich die Stellung einer "gewöhnlichen" Kommanditistin erworben zu haben. Zur Begründung verweist das Gericht darauf, dass die Beklagte gewusst habe, dass sie den Kommanditanteil von der Treuhandkommanditistin erwarb und mit dem Kommanditanteil auch deren Treuhandaufgaben übernahm.
Einer solchen weitgehenden "Haftungsübernahme" beim Anteilserwerb erteilte der BGH allerdings eine klare Absage. Zwar sei die Beklagte mit dem Erwerb des Kommanditanteils in die Rechtsstellung als Kommanditistin grundsätzlich auch in bestimmte Rechte und Pflichten des Veräußerers eingetreten. Das gelte aber nur für Rechte und Pflichten aus dem Gesellschaftsverhältnis, nicht jedoch für sonstige Verbindlichkeiten des Veräußerers. Um eine sonstige, nicht auf den Erwerber übergehende Verbindlichkeit handelt es sich bei dem im Streitfall eingeklagten Anspruch auf Schadensersatz wegen Aufklärungspflichtverletzung.
Praxishinweise
Das Urteil des Bundesgerichtshofs überzeugt. Die Aufklärungspflichtverletzung fiel der Gründungs- und Treuhandkommanditistin zur Last, die den Kommanditanteil erst nach Ausgabe des Prospekts und Übertragung des Geschäfts der KG auf die Aktiengesellschaft an die Beklagte abtrat. Eine Schadensersatzpflicht entstand somit zwar aus der Stellung als aufklärungsverpflichteter Altgesellschafterin, aber gerade nicht aus dem Gesellschaftsverhältnis als solchem, sondern aus der schuldhaften Verletzung vertraglicher Pflichten gegenüber der Klägerin.
Hätte der Bundesgerichtshof hier anders entschieden, wären die Konsequenzen für die rechtssichere Gestaltung von Anteilserwerben bei Personengesellschaften groß gewesen. Eine saubere Abgrenzung zwischen – auf den Erwerber übergehenden – Pflichten aus dem Gesellschaftsverhältnis und – beim Veräußerer verbleibenden – sonstigen Verbindlichkeiten wäre nur noch schwer möglich. Schließlich würde auch die begrenzte Haftung des Kommanditisten allzu leicht unterlaufen.
Der Rechtsstreit führt einmal mehr vor Augen, wie wichtig die saubere Gestaltung von Anteilskaufverträgen ist. Im vorliegenden Fall hätte man, wenn dies gewünscht gewesen wäre, durch eine pr...