Zusammenfassung
Befriedigt sich die Bank an Zahlungen von Kunden einer GmbH, weil sie vorher zur Sicherheit an diese abgetreten worden waren, haftet der Geschäftsführer in der Insolvenz nicht dafür.
Hintergrund
Der Insolvenzverwalter verklagte den Geschäftsführer einer GmbH, weil dieser Forderungen auf ein debitorisches Konto eingezogen und damit faktisch Zahlungen an die kontoführende Bank geleistet hatte. Das Aktivvermögen der Gesellschaft sei zu Lasten ihrer Gläubigergemeinschaft und zum Vorteil der Bank geschmälert worden, was der Geschäftsführer durch die Einziehung offener Forderungen auf ein Konto auf Guthabenbasis hätte vermeiden können und müssen. Er habe dadurch seine Massensicherungspflicht verletzt und sei gem. § 64 GmbHG zum Ersatz dieser "Zahlungen" an den Insolvenzverwalter verpflichtet. Der Geschäftsführer verteidigte sich mit dem Argument, die auf das debitorische Konto eingezogene Forderung habe aufgrund einer Globalzession ohnehin der kontoführenden Bank zugestanden.
Das Landgericht Kleve hat die Klage abgewiesen, die dagegen gerichtete Berufung des Klägers beim OLG Düsseldorf hatte hingegen Erfolg, mit dem Ergebnis, dass der Geschäftsführer zur Zahlung von 30.000 EUR an den Insolvenzverwalter verurteilt wurde. Diese Entscheidung hob der BGH auf und verwies die Sache an das Berufungsgericht zurück.
Zunächst bestätigt der BGH seine ständige Rechtsprechung, wonach der Geschäftsführer der Gesellschaft grundsätzlich haftet, wenn er nach Eintritt der Insolvenzreife Forderungen auf ein debitorisches Konto einzieht. Der auf dieses Konto eingezahlte Betrag wird nämlich auf Grund der Kontokorrentabrede mit dem Sollsaldo der Bank verrechnet, d.h. diese erhält eine Forderung gegenüber dem Schuldner vollständig bezahlt und muss sich nicht (wie alle anderen Gläubiger) mit der Quote zufrieden geben. Nach Eintritt der Insolvenzreife muss der Geschäftsführer daher dafür Sorge tragen, dass die Schuldner der Gesellschaft auf ein anderes, kreditorisch geführtes Bankkonto zahlen.
Hiervon macht der BGH nun eine neue Ausnahme, wenn die eingezogene Forderung Gegenstand einer vor Eintritt der Insolvenzreife vereinbarten Sicherungsabtretung (hier im Rahmen einer Globalzession) zugunsten der kontoführenden Bank war und vor Eintritt der Insolvenzreife entstand und werthaltig geworden ist. Denn dann stehe die Forderung der Bank im Rahmen der abgesonderten Befriedigung (§ 51 Nr. 1 InsO) insolvenzfest zu und stehe den Insolvenzgläubigern daher nicht zur Verwertung zur Verfügung. Eine nach § 64 GmbHG verbotene "Zahlung" können aber dem Schutzzweck der Norm zufolge nur vorliegen, wenn durch die betreffende Leistung die zur Verteilung zur Verfügung stehende Vermögensmasse geschmälert werde. Darüber hinaus entspreche die Vereinnahmung auf das debitorische Konto bei vorliegender Globalzession der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes, denn auch bei einem Einzug auf ein anderes Konto bestünde eine Pflicht zur Weiterleitung an die Bank aufgrund der Globalzession, die der Geschäftsführer in diesem Rahmen erfüllen dürfe.
Anmerkung
Die Entscheidung ist zu begrüßen und stellt klar, dass der Geschäftsführer nicht völlig unabhängig von deren wirtschaftlichen Auswirkungen für Verfügungen und Leistungen nach Eintritt der Insolvenzreife aus § 64 GmbHG haftet. Der BGH nähert sich mit dieser Entscheidung (nur im Ergebnis!) gewichtigen Stimmen in der Literatur an, die die Haftung des Geschäftsführers auf den entstehenden Quotenschaden begrenzen wollen. Denn im Grundsatz bleibt es dabei, dass § 64 GmbHG kein Schadensersatzanspruch auf den Quotenschaden ist, sondern der Geschäftsführer hiernach umfänglich haftet.
Daher kann dieses Urteil in der Praxis Geschäftsführern auch kaum als Handlungsanweisung dienen. Denn um sich anschließend auf das Urteil berufen zu können, muss der Geschäftsführer auf eigenes Risiko bewerten, ob (i) die betreffende Forderung von der Globalzession erfasst ist, was z.B. bei Forderungen von Lieferanten, die durch verlängerte Eigentumsvorbehalte gesichert sind, nicht der Fall ist, (ii) ob die Globalzession insolvenzfest entstanden ist und (iii) ob die betreffende Forderung insolvenzfest zugunsten der Bank entstanden ist und werthaltig gemacht wurde.
Der richtige Weg für Geschäftsführer bleibt auch nach diesem Urteil, rechtzeitig Insolvenzantrag zu stellen und nach Eintritt der Insolvenzreife Forderungen der Gesellschaft nur noch auf einem Konto einzuziehen, das auf Guthabenbasis geführt wird.