Leitsatz

Der Kläger verklagte im Jahr 2007 eine nach englischem Recht gegründete und mit ihrer Hauptniederlassung im Register of Companies von Cardiff eingetragene Limited vor dem LG Berlin. In Deutschland ist lediglich eine Zweigniederlassung der Limited im Handelsregister beim AG Potsdam eingetragen. Im April 2009 wurde die Limited im englischen Register gelöscht. Die Limited machte daraufhin im vom Kläger eingeleiteten Berufungsverfahren vor dem KG Berlin geltend, sie sei infolge der Löschung nicht mehr passiv parteifähig. Der Kläger meinte demgegenüber, die Löschungsvoraussetzungen hätten nicht vorgelegen. Zudem verfüge die Gesellschaft noch über Vermögen in Deutschland und bestehe deshalb als "Restgesellschaft" in Deutschland fort.

Das KG Berlin ist der Auffassung der Beklagten gefolgt und hat entschieden, dass diese nicht mehr parteifähig ist, da sie aus dem englischen Gesellschaftsregister gelöscht wurde. Es verwies auf die mittlerweile gefestigte Rechtsprechung, dass eine nach dem Recht eines anderen EU-Mitgliedstaates gegründete Gesellschaft trotz eines inländischen Verwaltungssitzes dem Recht des Gründungsstaates unterliege. Die deutsche Zweigniederlassung sei nur ein rechtlich unselbstständiger Teil des Unternehmens, sodass das anwendbare Recht anhand des statutarischen Sitzes zu bestimmen sei. Die Wirksamkeit der Gründung sowie der Umfang und der Fortbestand richte sich somit nach englischem Recht. Da die Löschung im englischen Gesellschaftsregister nach englischem Recht konstitutive Wirkung habe, sei die Limited aufgelöst worden. Ob die Löschungsvoraussetzungen tatsächlich vorgelegen hätten, brauche daher nicht geprüft werden.

Das Gericht wies jedoch darauf hin, dass die Gesellschaft trotz Löschung und Auflösung in England in Deutschland als sog. "Restgesellschaft" fortbestehe könne und auch parteifähig sei, falls sie in Deutschland über Vermögen verfüge. Diese Voraussetzungen lagen nach Ansicht des Gerichts jedoch nicht vor. Mangels inländischer Vermögenswerte bestand die Gesellschaft damit auch in Deutschland nicht mehr, sodass sie auch nicht mehr partei- und prozessfähig war.

 

Hinweis

Der EuGH ordnete in einer Reihe von Entscheidungen (Centros, Überseering, Inspire Art) in den Jahren 1999 bis 2003 an, dass Gesellschaften, die in anderen EU-Mitgliedstaaten wirksam gegründet wurden, auch dann anzuerkennen sind, wenn sie wirtschaftlich nur außerhalb ihres Herkunftsstaates aktiv sind. Der EuGH ist damit im Rahmen der europarechtlich garantierten Niederlassungsfreiheit der sog. Gründungstheorie gefolgt, nach der eine Gesellschaft dem Recht ihres Gründungsstaates unterliegt. Damit sind in Deutschland ausländische Gesellschaften rechtlich anzuerkennen, soweit sie nach dem Recht ihres Gründungsstaates wirksam gegründet und nicht aufgelöst wurden. Ihre Rechtsfähigkeit verliert die Gesellschaft nach dieser Rechtsprechung auch dann nicht, wenn sie ihren effektiven Verwaltungssitz in einen anderen EU-Mitgliedstaat verlegt oder von vornherein ihre Geschäftstätigkeit allein in diesem Staat entfaltet, solange das Gründungsrecht dies zulässt.

In Deutschland hat diese neue Rechtslage zur Gründung zahlreicher Private Limited Companies (Ltd.) nach englischem Recht geführt, da die Gründung einfacher und kostengünstiger als die Gründung einer deutschen GmbH ist. Allerdings werden die strengen Anforderungen des englischen Gesellschaftsrechts häufig übersehen. So müssen etwa Jahresberichte und Jahresabschlüsse erstellt und an das Companies House mit Sitz in Cardiff, das das englische Handelsregister führt, übersandt werden. Gesellschaften, die diese Pflichten nicht erfüllen, werden aus dem Register gelöscht. Damit laufen die Gesellschafter Gefahr, für neue, d.h. nach der Löschung eingegangene Verbindlichkeiten persönlich zu haften.

Der Fall des Kammergerichts zeigt demgegenüber die Gefahren, die für Gläubiger einer Limited aufgrund der Anwendbarkeit englischen Gesellschaftsrechts entstehen können. Wird eine englische Limited aus dem englischen Gesellschaftsregister gelöscht, hört sie rechtlich auf zu existieren. Das in England belegene Vermögen fällt der britischen Krone zu. Damit ist sie auch in Deutschland nicht mehr partei- und prozessfähig. Beruft sich die Limited auf den Verlust ihrer Partei- und Prozessfähigkeit, muss sie Tatsachen vortragen, aus denen sich dies hinreichend deutlich ergibt. Dem Kammergericht genügte als Nachweis ein allgemein im Internet zugänglicher Auszug aus dem englischen Gesellschaftsregister des Companies House.

Ausnahmsweise bleibt die ausländische Gesellschaft partei- und prozessfähig, wenn sie noch über Vermögen im Inland verfügt. Dann besteht sie zum Zweck der Liquidation als sog. Restgesellschaft fort. Diese Konstruktion dient dazu, die in Deutschland belegene (und nach deutschem Recht zu behandelnde) Vermögensmasse einem Rechtsträger zuzuordnen. In diesem Fall muss der Kläger darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass die Gesellschaft trotz ihrer Löschung im Ausland noch über Vermögensw...

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