Leitsatz
Das OLG München hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, in welchem Umfang nach neuem Recht eine Erwerbsobliegenheit neben der Betreuung eines 6-jährigen Kindes erwartet und zugemutet werden kann.
Sachverhalt
Aus der am 30.3.2007 geschiedenen Ehe der Parteien war eine im Jahr 2002 geborene Tochter hervorgegangen. Sie lebte in dem Haushalt ihrer Mutter und wurde allein von ihr betreut und versorgt. Sie besuchte täglich bis 14.00 Uhr den Kindergarten.
Die Ehefrau war gelernte Buchhändlerin und seit dem 1.10.2007 als Verkäuferin beschäftigt. Sie verdiente hieraus ein durchschnittliches monatliches Bruttoeinkommen von ca. 900,00 EUR. Darüber hinaus bekam sie eine Weihnachtsgratifikation und hatte nach ihrem Arbeitsvertrag 30 sog. "Flexistunden" monatlich zu leisten, die gesondert vergütet wurden. Während der Zeiten ihrer berufsbedingten Abwesenheit wurde die Tochter von den Großeltern betreut.
Der Ehemann war als Lehrer tätig.
Erstinstanzlich wurde er zur Zahlung nachehelichen Elementarunterhalts von 739,00 EUR sowie von Altersvorsorgeunterhalt i.H.v. 179,00 EUR verurteilt. Hiergegen wandte er sich mit der Berufung. Mit seinem Rechtsmittel wehrte er sich insbesondere gegen die Höhe des ausgeurteilten Unterhalts. Ferner begehrte er eine Befristung des nachehelichen Unterhalts bis zum 31.12.2007.
Sein Rechtsmittel war teilweise erfolgreich.
Entscheidung
Nach Auffassung des OLG kann auch bei bestehenden Betreuungsmöglichkeiten eine Vollzeiterwerbstätigkeit von dem betreuenden Elternteil regelmäßig nicht verlangt werden, solange ein Kind den Kindergarten bzw. die ersten Grundschulklassen besucht. Man werde regelmäßig nur eine Teilbeschäftigung verlangen können, die mit zunehmendem Alter des Kindes zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit ausgebaut werden müsse. Überspanne man die Anforderungen, die an die Erwerbsverpflichtung des betreuenden Elternteils gestellt würden, treffe man damit unmittelbar auch das Kind und beraube es unter Umständen einer Lebensperspektive, die es ohne die Trennung der Eltern gehabt hätte.
Da die Ehefrau bereits eine Halbtagstätigkeit ausübe, könne von ihr keine Ausweitung auf eine Vollzeitbeschäftigung verlangt werden. Im Interesse des Kindeswohls sei ihr auch zukünftig nur ein stufenweiser, an den Kriterien von § 1570 Abs. 1 BGB orientierter Übergang in die Vollerwerbstätigkeit zumutbar.
Eine Begrenzung des Unterhalts kam nach Auffassung des OLG nicht in Betracht, da noch nicht absehbar sei, wie lange die Tochter eine umfassende Betreuung durch die Mutter benötige. Außerdem sei in § 1570 BGB eine konkrete zeitliche Begrenzung nicht vorgesehen.
Der BGH habe im Regelfall davon abgesehen, den Anspruch auf Betreuungsunterhalt zeitlich zu begrenzen und vor allem darauf abgestellt, dass eine vorausschauende Beurteilung der Verhältnisse für einen fern liegenden Zeitraum gerade im Hinblick auf die Entwicklung des minderjährigen Kindes in Bezug auf dessen Betreuungsbedürftigkeit nicht möglich sei. Insoweit trete das Gebot der Prognose der künftigen Entwicklung hinter diesem Gesichtspunkt zurück.
Eine zeitliche Begrenzung über § 1578b BGB komme nicht in Betracht, weil auch bei dieser Entscheidung vor allem die Belange des vom Unterhaltsberechtigten betreuten Kindes zu wahren seien. Auch wenn die Betreuung gemeinsamer Kinder einer Beschränkung des Anspruchs nicht grundsätzlich entgegenstehe, scheide eine solche bei einem Anspruch nach § 1570 BGB in der Regel aus, da eine durch Kinderbetreuung eingeschränkte wirtschaftliche Eigenständigkeit dem Anspruch immanent sei.
Hinweis
Revision gegen das Urteil des OLG München ist eingelegt und wird zur Geschäftsnummer XII ZR 102/08 geführt. Eine Entscheidung des BGH liegt noch nicht vor.
Link zur Entscheidung
OLG München, Urteil vom 04.06.2008, 12 UF 1125/07