a) Die Begrenzung der Einsicht auf berechtigtes Interesse
Rz. 22
Die Beschränkung der Grundbucheinsicht auf ein berechtigtes Interesse durch § 12 GBO ist Ausdruck der Funktion des Grundbuchs als Instrument des Zivilverfahrensrechts. Die Grundbucheinsicht etwa des Notars vor einer Beurkundung nach § 21 BeurkG gewährleistet ebenso Rechtssicherheit wie das Erfordernis der Voreintragung im Grundbuchverfahren (§ 39 GBO). Dass lediglich wirtschaftliche Interessen wie eine mögliche Kaufabsicht ein berechtigtes Interesse an einer Einsicht nicht begründen, ist ebenso allgemein bekannt wie verständlich (§ 12 GBO Rdn 5). Wer möchte schon als Grundstückseigentümer von fremden Personen ungefragt darauf angesprochen werden, ob er seine Immobilie veräußern wolle?
Gesetzgeberischer Reformbedarf wird gerne mit Verweis auf ausländische Rechtsordnungen begründet. So hat bekanntlich Österreich sowohl ein technisch hochentwickeltes wie auch allgemein öffentliches Grundbuchsystem. Ein allgemeiner Verweis auf ausländische Rechtsordnungen ist für sich genommen aber untauglich und stellt kein sachliches Argument für und wider eine Regelung dar. Denn es gibt zahlreiche Länder, die es wieder anders machen. Stets ist zu untersuchen, aus welcher historischen Entwicklung ein Tatbestand hervorging, welche – auch gesellschaftsrechtlichen Entwicklungen – er nahm und wie er im eigenen Land rezipiert wird.
b) Datenhoheit und Datensparsamkeit
Rz. 23
Das Postulat nach Transparenz bei Transaktionen und Rechtsinhabern kollidiert mit dem privaten Interesse des Rechtsinhabers an der Diskretion über seine Eigentums- und Rechtsverhältnisse. Dieses private Interesse ist Ausdruck des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG. Das Recht gewährleistet dem Einzelnen die Befugnis, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu entscheiden. Insofern entspricht die mehr als einhundert Jahre alte Vorschrift des § 12 GBO den Anforderungen modernen Verfassungsrechts. Die Führung des Einsichtsprotokolls nach § 12 Abs. 4 GBO mit § 46a GBV gewährleistet ebenso die Wahrung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG. Auch erfüllt § 12 GBO die Anforderungen der Datenschutz-Grundverordnung (DGSVO). Art. 5 ff. DSGVO verlangen, dass personenbezogene Daten rechtmäßig und transparent sowie in nachvollziehbarer Weise verarbeitet werden. Die Grundbucheinsicht unter den Voraussetzungen des § 12 GBO entspricht diesen Anforderungen (siehe § 12 GBO Rdn 3). Wollte man das Grundbuch zu einem öffentlichen Register machen, wäre danach einerseits zu fragen, ob ein solcher Eingriff in das individuelle Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG geeignet, erforderlich und angemessen ist. Andererseits wäre zu fragen, ob die Veröffentlichung des Grundbuchinhalts unter dem Aspekt der Datensparsamkeit aus Art. 5 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 DSGVO erforderlich ist.
c) Einsichtsgewährung aufgrund öffentlichen Interesses?
Rz. 24
Zuletzt stellt sich die Frage, wann ein besonderes öffentliches Interesse an völliger Transparenz des Grundbuchinhalts oder wenigstens an Grundbucheinsicht besteht. Erörtert wird dies zumeist am Interesse der Presse an einer Grundbucheinsicht. Dabei darf die Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG nicht pauschal und schrankenlos als Argument für ein Einsichtsrecht herangezogen werden. Auch die Pressefreiheit unterliegt kollidierenden Schranken durch die Grundrechte anderer.
Prominent hatte der BGH im Jahre 2011 über die Grundbucheinsicht beim damaligen Bundespräsidenten zu entscheiden, durch welche ein Journalist durch Einsicht in Abteilung III des Grundbuchs die Finanzierung der Immobilie herauszufinden glaubte. Der BGH betonte unter Verweis auf Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass in einer Abwägung der Grundrechte das Interesse der Presse an der Kenntnisnahme des Grundbuchinhalts sich als gegenüber dem Persönlichkeitsrecht...