Rz. 36
Die Grundsätze des Zivilprozessrechts zu Prozesshandlungen gelten grundsätzlich auch in der freiwilligen Gerichtsbarkeit und damit im Grundbuchverfahrensrecht. Als wesentlich sind zu nennen:
Rz. 37
Der "Prozesshandlung" des Zivilprozessrechts entspricht in der freiwilligen Gerichtsbarkeit die "Verfahrenshandlung".
Rz. 38
Verfahrenshandlungen sind alle bewussten verfahrensgestaltenden Betätigungen (Erklärungen, Handlungen und Unterlassungen), deren Voraussetzungen und Wirkungen im Verfahrensrecht geregelt sind. Sie tragen zur Gestaltung eines Verfahrens, aber nicht (oder allenfalls mittelbar über die gerichtliche Entscheidung) zur Änderung der materiellen Rechtslage bei.
Rz. 39
"Erwirkungshandlungen" (insbes. Anträge) verfolgen den Zweck, eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen. Ihre Wirkungen treten nicht von selbst, sondern erst durch hoheitliche Willensbetätigung ein. Sie können so lange einseitig zurückgenommen werden, bis eine Prozesssituation vorliegt, die im Interesse der Gegenpartei nicht mehr ohne deren Einwilligung verändert oder aufgehoben werden darf. Das wird man auf Verfahrenshandlungen in der freiwilligen Gerichtsbarkeit übertragen können.
Rz. 40
"Bewirkungshandlungen" sind Handlungen oder Erklärungen, durch die unmittelbar eine prozessuale Rechtswirkung erzeugt wird (z.B. Klagerücknahme, Verzicht oder Anerkenntnis). Ist der intendierte prozessuale Erfolg eingetreten, scheidet grundsätzlich ein Widerruf aus. Auch dies wird man auf Verfahrenshandlungen in der freiwilligen Gerichtsbarkeit übertragen können.
Rz. 41
Für Verfahrenshandlungen gilt das entsprechende Verfahrensrecht, dessen Lücken in erster Linie durch allgemeine Verfahrensgrundsätze und analoge Anwendung anderer wesensgleicher oder ähnlicher Verfahrensvorschriften ausgefüllt werden müssen. Die ergänzende Heranziehung des Zivilprozessrechts in der freiwilligen Gerichtsbarkeit einschließlich des Grundbuchverfahrensrechts findet dort ihre Grenzen, wo dies mit dem Gesetz oder mit den wesensbedingten Unterschieden der Verfahrensgestaltung nicht mehr vereinbar ist. Schweigt das anwendbare Verfahrensrecht, kann unter Beachtung des Grundsatzes, dass Verfahrensrecht im Gegensatz zum BGB reines Zweckmäßigkeitsrecht ist, das bürgerliche Recht entsprechend, niemals unmittelbar angewandt werden.
Rz. 42
Verfahrenshandlungen können je nach Gesetz oder Zweck abgegeben werden:
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formfrei, schriftlich, elektronisch oder beglaubigt, |
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im, vor oder außerhalb des Verfahrens, |
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gegenüber dem Gericht und/oder einem Beteiligten, |
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regelmäßig einseitig, unter Umständen vertragsmäßig. |
Ihr Inhalt ist grundsätzlich auslegungsfähig. Befristungen sind meistens, Bedingungen jedenfalls dann unzulässig, wenn ihr Eintritt mit verfahrensrechtlichen Mitteln nicht sicher festgestellt werden kann.
Sie sind bis zur Entscheidung widerruflich und nur unwiderruflich, wenn dies das Gesetz vorschreibt, der Verfahrenszweck verlangt oder ein anderer durch sie eine vorteilhafte Verfahrensstellung erlangt hat (siehe auch Rdn 38 ff.). Wirksamkeit und Unwiderruflichkeit können, müssen aber nicht zusammentreffen. Verfahrenshandlungen müssen zur Zeit der Entscheidung wirksam sein. Mängel können vorher behoben, Willensmängel nicht durch Anfechtung, sondern nur durch Berichtigung, Ergänzung oder Widerruf geltend gemacht werden. Verfahrenshandlungen können vor der Entscheidung unwirksam werden, nicht nur durch Widerruf; der Widerruf ist selbst eine neue Verfahrenshandlung, so dass eine Zurücknahme nicht widerrufen werden kann, sondern nur eine Neuvornahme möglich ist. Verfahrenshandlungen verlieren ohne oder gegen den Willen des Erklärenden ihre Wirksamkeit durch Maßnahmen des Gerichts (z.B. Zurückweisung des Antrags), sonstige Ereignisse (z.B. Verlust des Antragsrechts) oder Handlungen anderer Beteiligter (z.B. beim Prozessanerkenntnis des Beklagten nach § 307 ZPO, dadurch, dass der Kläger auf ein Anerkenntnisurteil verzichtet oder die Klage zurücknimmt).