Rz. 43
In Einzelfällen einer Eintragung ist zur Beantwortung der Frage nach dem Charakter einer der Eintragung zugrunde liegenden Erklärung als solche des Verfahrensrechts oder solche des materiellen Rechts zu prüfen, ob ein "Doppeltatbestand" (vgl. Rdn 44 ff.) oder ein "Einzeltatbestand" (vgl. Rdn 50) vorliegt.
1. Doppeltatbestand, Einzeltatbestand und Doppelnatur
Rz. 44
Ein "Doppeltatbestand" ist ein Komplex von Erklärungen oder Handlungen, der nur äußerlich als Einheit erscheint – bei Erklärungen kann das so weit gehen, dass tatsächlich nur eine Erklärung vorhanden ist (vgl. Rdn 34) –, sich in Wirklichkeit aber aus mehreren Bestandteilen zusammensetzt, von denen jeder unabhängig vom anderen rechtlich selbstständig geregelt ist. Typisches Beispiel: Kauf und Übereignung von Waren, die nach laienhafter Auffassung eine Einheit bilden, rechtlich aber zu trennen sind.
Rz. 45
Ein "Einzeltatbestand" ist eine Erklärung oder Handlung, die nicht in mehrere rechtlich selbstständige Teile zerlegbar ist.
Rz. 46
Die Begriffe "Doppeltatbestand" und "Doppelnatur" werden nicht einheitlich gebraucht. Unter "Doppelnatur" wird hier die Rechtsnatur eines nicht mehr teilbaren Einzeltatbestandes mit materiell-rechtlichem und zugleich verfahrensrechtlichem Wesen verstanden, während der Doppeltatbestand durch Zerlegung in einzelne selbstständige Bestandteile eine klare Antwort auf die Frage nach der Rechtsnatur jedes dieser Teile ermöglicht.
2. Arten von Doppeltatbeständen
Rz. 47
Materiell-rechtliche Doppeltatbestände sind allgemein anerkannt, z.B. Auftrag und Vollmacht, Übergabe der Sache und Eigentumsübertragung, Erbschaft und Vermächtnis.
Rz. 48
Der typische Fall eines verfahrensrechtlichen Doppeltatbestandes ist der in § 30 GBO geregelte gemischte Antrag (siehe § 30 GBO Rdn 14 ff.), der gleichzeitig auch die Bewilligung (§ 19 GBO) enthält.
Rz. 49
Ein gemischtrechtlicher Doppeltatbestand setzt sich aus einem materiell-rechtlichen und einem verfahrensrechtlichen Bestandteil zusammen (siehe auch Rdn 34). Anerkanntes Beispiel: Die im Zivilprozess erklärten bürgerlich-rechtlichen Gestaltungsgeschäfte der Aufrechnung, Anfechtung, Kündigung oder des Widerrufs, die nicht dadurch Prozesshandlung werden, dass man sie im Prozess erklärt oder geltend macht. Umgekehrt wird die Prozesshandlung (z.B. Klagerücknahme) nicht dadurch zum Rechtsgeschäft, dass sie unmittelbar mit einem Rechtsgeschäft (z.B. Erlass einer Forderung) vorgenommen wird. Weitere Beispiele: Ein Schuldanerkenntnis kann zugleich ein Prozessanerkenntnis (§ 781 BGB, § 307 ZPO), ein Erlassvertrag zugleich ein Klageverzicht (§ 397 BGB, § 306 ZPO) sein. Zur Rechtsnatur des Prozessvergleichs werden verschiedene Ansätze vertreten (siehe Rdn 51). In den Fällen gemischtrechtlicher Doppeltatbestände sind die Voraussetzungen und Wirkungen des Rechtsgeschäfts nach materiellem Recht und ihre Geltendmachung im Prozess nach Prozessrecht zu beurteilen (eingehend zu den grundbuchverfahrensrechtlichen Doppeltatbeständen siehe § 2 Einl. Rdn 68 ff.).