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Sondereigentum an Räumen bedarf einer baulichen Substanz. Gegenüber der "Fertigstellungstheorie" hat sich die Meinung von der "schrittweisen Entstehung von Sondereigentum" durchgesetzt, wonach die Anwartschaft des Miteigentümers fortschreitend in Sondereigentum an jedem einzelnen seiner Sondereigentums-Räume übergeht, sobald der Raum (Rohbau ohne Fenster und Türen) durch seine Ummauerung seine natürliche und rechtliche Grenze erhalten hat.[65] Nicht alle Räume müssen im Sondereigentum stehen (§ 5 Abs. 3 WEG). Art und Zahl der Raumeinheiten und Gebäude sind rechtlich unerheblich.[66]

 

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WE kann damit vor Herstellung eines Raumes wirksam begründet, im Grundbuch eingetragen, veräußert und belastet werden,[67] selbst wenn zum Zeitpunkt der Grundbucheintragung nach öffentlichem Recht ein Bauverbot besteht.[68] Gleich zu behandeln ist der Fall, dass nur tatsächliche Hindernisse entgegenstehen.[69] Ebenso sind nachträglich auftretende rechtliche oder tatsächliche Hindernisse unbeachtlich.[70]

Notwendig, aber auch genügend sind der Aufteilungsplan nach § 7 Abs. 4 Nr. 1 WEG und die Abgeschlossenheitsbescheinigung zu § 3 Abs. 3 WEG (dazu Rdn 121). Probleme ergeben sich, wenn die tatsächliche Bauausführung vom Aufteilungsplan abweicht. An Räumen, die Aufteilungsplan als Gemeinschaftseigentum gekennzeichnet sind, kann allein durch die andere Bauausführung kein Sondereigentum entstehen.[71] Ebenso kann bei wesentlichen Abweichungen vom Aufteilungsplan Sondereigentum nicht entstehen, wenn die Räume, die im Sondereigentum stehen sollen, sich nach dem Aufteilungsplan nicht identifizieren lassen.[72] Praktisch bedeutsam ist dies bei "gefangenen" Räumen, insbes. bei Spitzböden, die als Gemeinschaftseigentum ausgewiesen durch nachträgliche bauliche Änderung einem Sondereigentum zugeschlagen werden. Wurde Teileigentum an einer erst zu errichtenden Garage begründet, diese aber nicht endgültig errichtet, und haben die Wohnungseigentümer kein Interesse an der Errichtung, kann es nach Treu und Glauben geboten sein, dass die Wohnungseigentümer ohne Zahlung eines Wertausgleiches die Miteigentumsanteile, die mit dem Sondereigentum an der geplanten Tiefgarage verbunden wurden, übernehmen und das Sondereigentum aufgehoben wird.[73]

[65] BayObLGZ 1973, 80; OLG Karlsruhe DNotZ 1973, 235; Röll, DNotZ 1977, 69, 71; BGHZ 110, 36, 38 = Rpfleger 1990, 159; eingehend Staudinger/Rapp, BGB, § 5 WEG Rn 46 ff.
[66] Weitnauer/Briesemeister, WEG, § 3 Rn 24.
[67] BGH DNotZ 1990, 259; eingehend Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rn 2873.
[69] Demharter, Anh. § 3 Rn 8.
[70] Demharter, Anh. § 3 Rn 8; a.A. OLG Hamm NJW RR 1991, 335 mit Anm. Weitnauer, MittBayNot 1991, 143; Hauger, DNotZ 1992, 498.
[71] BGHZ 208, 29 = NJW 2016, 473; Grziwotz, ZfIR 2016, 125.
[72] BGH NJW 2004, 1798 = Rpfleger 2004, 207; NK-BGB/Heinemann, § 2 WEG Rn 17; m.w.N.; eingehend Bärmann/Armbrüster, WEG, § 2 Rn 71 ff.; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rn 2875; Armbrüster, ZWE 2005, 182; Abramenko, ZMR 1998, 741; Kanzleiter, DNotZ 2018, 246.
[73] BayObLGZ 2001, 328.

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