I. "Gesichertes" Anwartschaftsrecht
Rz. 6
Das durch § 878 BGB, §§ 13, 17 GBO gesicherte Recht des Auflassungsempfängers, der selbst den Umschreibungsantrag gestellt hat, ist nach BGH ein vom schuldrechtlichen Anspruch unabhängiges, dem späteren Vollrecht vergleichbares, selbstständig verkehrsfähiges Recht (Anwartschaftsrecht). Weil der Erwerb des Eigentums am Grundstück Einigung und Eintragung erfordert (§ 873 Abs. 1 BGB), kann man ein verkehrsfähiges Anwartschaftsrecht nicht unabhängig vom Vorliegen der Eintragungsvoraussetzungen annehmen.
Rz. 7
Voraussetzungen dafür sind (Stufe 4 siehe Rdn 3):
1. |
Auflassung (§ 925 BGB, §§ 20, 29 GBO), die wirksam, bindend und dem Grundbuchamt nachgewiesen sein muss (siehe hierzu § 20 GBO Rdn 90 ff.); |
2. |
Eintragungsantrag des Auflassungsempfängers (§ 13 GBO), der nicht zurückgenommen und nicht zurückgewiesen sein darf; |
3. |
Eintragungsbewilligung des von der Eintragung Betroffenen (§§ 19, 29, 39 Abs. 1 GBO), die wirksam, unwiderruflich und dem Grundbuchamt nachgewiesen sein muss. |
Wer die Bewilligung des Betroffenen (§§ 19, 39 Abs. 1 GBO) zu den Eintragungsvoraussetzungen rechnet (vgl. § 20 GBO Rdn 11 ff.) und berücksichtigt, dass die Bewilligung und die Auflassung dem Grundbuchamt nachgewiesen werden muss (§§ 19, 20, 29 GBO), kann von einem verkehrsfähigen Recht nicht sprechen, wenn der Veräußerer zwar die Auflassung und Bewilligung erklärt, aber dem Auflassungsempfänger die zur Grundbucheintragung notwendige Urkunde vorenthalten kann.
Der Gesetzgeber normiert in § 140 Abs. 2 InsO zur Frage des maßgeblichen Zeitpunkts für den Abschluss einer insolvenzrechtlich anfechtbaren Rechtshandlung das Anwartschaftsrecht in Anlehnung an diese Voraussetzungen. Neben der nach § 873 Abs. 2 BGB bindend erklärten Einigung verlangt er den Eintragungsantrag durch den Erwerber. Hierzu lässt der BGH – anders als die Gesetzesbegründung – nur den Eintragungsantrag des Erwerbers selbst genügen, der durch den Notar nach § 15 Abs. 2 GBO gestellte Antrag solle nicht genügen, weil der Notar den Antrag auch selbstständig zurücknehmen könnte (§ 24 Abs. 3 S. 1 BeurkG). Das ist zu kurz gedacht, denn der Notar ist ebenso wie der Anwalt im Zivilprozess Bevollmächtigter der Beteiligten und diesen gegenüber verantwortlich. Da nach § 13 Abs. 1 S. 3 GBO (dazu § 13 GBO Rdn 30 ff.) ein Antrag auf Eigentumsumschreibung nur durch den Notar gestellt werden soll, liefe diese Annahme auf das Ergebnis hinaus, dass ein Anwartschaftsrecht gar nicht mehr möglich wäre.
Rz. 8
Das Anwartschaftsrecht des Auflassungsempfängers erlischt (samt Pfandrecht), wenn die Auflassung unwirksam ist oder wird (siehe Rdn 3, 9). Es verliert seine Verkehrsfähigkeit, wenn eine der dazu notwendigen Voraussetzungen wegfällt, also wenn die Bewilligung vor der Grundbucheintragung unwirksam wird, wenn der Auflassungsempfänger seinen Antrag zurücknimmt, wenn sein Antrag (zu Recht oder Unrecht) zurückgewiesen wird und er kein Rechtsmittel einlegt, die Beschwerde zurückgewiesen wird oder zwar Erfolg hat, aber als neuer Antrag zu behandeln ist (vgl. § 74 GBO Rdn 5 ff.). In solchen Fällen geht eine Übertragung, Verpfändung, Pfändung ins Leere.
Rz. 9
Welche Ausnahmen es davon gibt, bedarf einer Klärung.
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Wenn die Auflassung unwirksam wird, kann sie nicht wieder aufleben. Nur eine neue Auflassung kann zusammen mit der Eintragung den Eigentumsübergang herbeiführen (vgl. Rdn 30; § 20 GBO Rdn 99). |
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Das Anwartschaftsrecht samt einem Pfandrecht, das vorher daran bestanden hat, besteht (soweit nicht in wirksam entstandene Rechte Dritter eingegriffen wird; siehe Rdn 26) weiter, wenn die Antragszurückweisung zu Unrecht erfolgt ist, im Rechtsmittelverfahren aufgehoben, die Beschwerde nicht auf neues Vorbringen gestützt (§ 74 GBO) und der zu Unrecht aufgehobene Antrag wieder als unerledigt angesehen wird mit der Folge, dass seine früheren Wirkungen, auch die aus § 878 BGB und § 17 GBO wieder aufleben (vgl. § 17 GBO Rdn 29; § 18 GBO Rdn 83; § 74 GBO Rdn 9). |
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Sind vor der Antragszurückweisung durch Auflassung und Vormerkung die Voraussetzungen der Verkehrsfähigkeit (also auf andere Weise als durch Antragstellung) eingetreten (siehe Rdn 18 ff.), dann ist folgende für Pfandrechtsgläubiger wichtige Frage zu klären: Handelt es sich hier um zwei verschiedene Rechte, von denen das eine durch Antragszurückweisung erloschen und das andere nicht verpfändet (gepfändet) ist? Oder liegt ein einziges Recht vor, dessen Verkehrsfähigkeit weiterbesteht, weil durch die Antragszurückweisung weder die Auflassung noch die Vormerkung unwirksam geworden ist und beide zusammen die Verkehrsfähigkeit bewirken. Die letztere Auffassung, für die vieles spricht, wird bejaht. |
Rz. 10
Bei wirksamer Übertragung dieses Rechts tritt der Anwartschaftserwerber in die volle dingliche und grundbuchmäßige Stellung des Auflassungsempfängers aus der Auflassung, Bewilligung und Antrag einschließlich der sich aus § 17 GBO ergebenden Verfahrenslage anstelle des Auflassungsempfängers ein. Der Anwart...