Rz. 177
Der Nießbrauch stellt eine besonders ausgestaltete Dienstbarkeit dar, kraft deren der Berechtigte den belasteten Gegenstand umfassend nutzen darf. Der Nießbrauch tritt in der Praxis vor allem in folgenden Konstellationen auf:
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Nießbrauchsvorbehalt bei vorweggenommener Erbfolge; im Rahmen der Schenkung eines Grundstücks, einer Eigentumswohnung oder eines landwirtschaftlichen Betriebes an seine – späteren – Erben, die aus unterschiedlichen steuerlichen und anderen wirtschaftlichen Gründen schon zu Lebzeiten des – späteren – Erblassers vorgenommen wird, behält sich der Übergeber einen Nießbrauch am Grundbesitz vor, um bis zu seinem Tode praktisch die Rechte aus dem Eigentum doch ausüben zu können. |
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Nießbrauch zur Einkommensverlagerung; die Eltern bestellen für ihre minderjährigen Kinder am Mietshaus einen Nießbrauch, damit die Mieteinnahmen als Einkommen der Kinder zu versteuern sind. |
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Versorgungsnießbrauch; der Erblasser setzt seiner Ehefrau als Vermächtnis einen Nießbrauch aus. |
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Sicherungsnießbrauch; die Bank lässt sich neben einem Grundpfandrecht einen Nießbrauch am Grundstück bestellen. |
Mit dem Nießbrauch als dinglichem Recht besteht zwischen dem Eigentümer und dem Berechtigten kraft Gesetzes auch eine schuldrechtliche Beziehungen, aus der bspw. hinsichtlich der Unterhaltungspflichten gegenseitige Ansprüche entstehen können. Diese schuldrechtlichen, kraft Gesetzes bestehenden Rechte und Pflichten des Nießbrauches und Eigentümers gehören ungeachtet ihres schuldrechtlichen Charakters zum Inhalt des Nießbrauchs. Davon zu unterscheiden sind schuldrechtliche Vereinbarungen, die der Nießbrauchsbestellung zugrunde liegen.
Rz. 178
Mit einem Nießbrauch können Grundstücke, Erbbaurechte, eingetragene Schiffe (zu beachten § 9 Abs. 1 Schiffsregistergesetz), sonstige grundstücksgleiche Rechte sowie Wohnungs- und Teileigentum belastet werden. Die Belastung eines realen Grundstücksteils ist in Anwendung des § 7 Abs. 2 GBO zulässig (dazu § 7 GBO Rdn 12 ff.). Zulässig ist auch die Beschränkung der Ausübung auf einen bestimmten Grundstücksteil. Miteigentumsbruchteile, auch der ideelle Bruchteil eines Alleineigentümers. Zulässig ist auch ein sog. Quotennießbrauch am Miteigentumsanteil Bei Übertragung des mit einem Nießbrauch belasteten Miteigentumsanteils ist keine Zustimmung des Nießbrauchers erforderlich.
Rz. 179
Eine Grundstückszuschreibung nach § 890 Abs. 2 BGB bewirkt keine Ausdehnung des Nießbrauchs auf die zugeschriebene Fläche. Bei Vereinigung zweier ranggleich mit Nießbrauch belasteter Grundstücke können die beiden Rechte nicht als einheitliches Recht eingetragen werden.
Rz. 180
Ein an mehreren Grundstücken bestellter Nießbrauch ist kein einheitliches Recht, vielmehr handelt es sich um mehrere Einzelrechte.
Rz. 181
Zulässig ist eine Nießbrauchsbestellung an übertragbaren Rechten also bspw. an einem Erbteil, an einer Hypothek (§ 1080 BGB), einer Grund- und Rentenschuld (§ 1080 BGB). Zulässig ist sie auch an einer subjektiv-persönlichen Reallast mit der Folge, dass die einzelnen Leistungen dem Nießbraucher zustehen (a.a.O.) Möglich ist die Bestellung am Dauerwohn- u. Nutzungsrecht (§ 33 WEG; § 1069 BGB). An einer Leibrente (§ 1073 BGB). Bei der Belastung des Anteils einer BGB-Gesellschaft ist ein Vermerk im Grundbuch im Wege der Grundbuchberichtigung möglich; werden sämtliche Mitgliedschaftsrechte an einer Gesellschaft auf einen einzigen Erwerber übertragen und war ein Anteil mit einem Nießbrauch belastet, so soll der Antrag, diesen Nießbrauch im Grundbuch einzutragen, zurückzuweisen sein. Bei Nießbrauch an einem Handelsgesellschaftsanteil ist eine Eintragung nicht möglich, da die Firma unter ihrem Namen im Grundbuch eingetragen ist.
Rz. 182
Bei Nießbrauch an einem Vermögen (§§ 1085 ff. BGB) ist die Bestellung nur an den einzelnen Gegenständen möglich. Dies gilt auch für den Nießbrauch an Sondervermögen, wie z.B. am Vorbehaltsgut eines in Gütergemeinschaft lebenden Ehegatten. Denkbar ist die Anwendung von § 1085 BGB ferner als Nießbrauch an Vermögenswerten eines Unternehmens.
Rz. 183
Dies gilt auch für den Nießbrauch an einer Erbschaft (§ 1089 BGB), der vom Nießbrauch an einem Erbteil zu unterscheiden ist.
Rz. 184
An der gleichen Sache können mehrere Nießbrauchsrechte bestehen (§ 1060 BGB). Ein Rechtsverhältnis, das für die Ausübung der einzelnen Rechte maßgebend ist, braucht nicht ersichtlich zu sein. Gleichrang und verschiedener Rang sind zulässig.
Rz. 185
Unzulässig ist die Bestellung am Nießbrauch selbst (§§ 1059 S. 1, 1059b BGB) oder an einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (§§ 1092, 1093 BGB). Unzulässig auch die Bestellungen an bestimmten Gebäudeteilen, soweit sie nicht rechtlich verselbstständigt sind. Hier ist nur eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit möglich.