a) Bedeutung des Formstatuts
Rz. 183
Das Formstatut ist vor allem deswegen von Interesse, weil manche Rechtsordnungen die Formvorschriften für bestimmte Rechtsgeschäfte generell auf die Vollmacht zu ihrer Vornahme erstrecken, wohingegen das deutsche Recht von dem Grundsatz ausgeht, dass die Erteilung der Vollmacht nicht der Form bedarf, welche für das Rechtsgeschäft bestimmt ist, auf das sie sich bezieht (§ 167 Abs. 2 BGB). Weiterhin entscheidet das Formstatut u.a. auch darüber, ob eine (General-)Vollmacht, die unwiderruflich erteilt wurde, deshalb formbedürftig ist sowie ob eine aufgrund ihrer Unwiderruflichkeit formbedürftige, aber formlos erteilte Vollmacht als unwirksam oder unter Wegfall der Unwiderruflichkeit als wirksam anzusehen ist.
b) Anknüpfung, Art. 11 Abs. 1 EGBGB
Rz. 184
Da die Vollmacht eine eigenständige, einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung darstellt, beurteilt sich ihre Form nach Art. 11 EGBGB. Art. 11 Rom I-VO ist nicht anzuwenden. Ausreichend ist demnach alternativ entweder die Einhaltung der Formanforderungen des Geschäftsrechts oder des Ortsrechts. Die Verweisung ist dabei in jedem Falle Sachnormverweisung (Art. 3a Abs. 1 EGBGB), so dass es nicht darauf ankommt, wie das Internationale Privatrecht der sonach maßgeblichen Rechtsordnung seinerseits das Formstatut anknüpft.
aa) Geschäftsrecht, Art. 11 Abs. 1 Alt. 1 EGBGB
Rz. 185
Mit dem Recht, das auf das seinen Gegenstand bildende Rechtsverhältnis anzuwenden ist, meint Art. 11 Abs. 1 Alt. 1 EGBGB das Vollmachtsstatut. Die Rechtsordnung, die das der Vollmacht zugrunde liegende Rechtsverhältnis beherrscht, ist hier ebenso bedeutungslos wie diejenige, die auf das vom Vertreter getätigte Rechtsgeschäft anzuwenden ist. Dies ist das konsequente Resultat aus der Transposition des sachrechtlichen Grundsatzes der Abstraktheit der Vollmacht auf die Ebene des Kollisionsrechtes.
bb) Ortsrecht, Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB
Rz. 186
Gemäß Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB genügt alternativ auch die Einhaltung der Formanforderungen der Rechtsordnung an dem Ort, an dem der Vertretene die Bevollmächtigung erteilt. Dabei kommt es hinsichtlich dieser Ortsform nicht auf den Ort des Zugangs der Vollmachtserklärung an, sondern auf den Ort ihrer Erteilung, ggf. also den, an dem die Vollmachtsurkunde ausgestellt wird.
cc) Keine Anwendung der Art. 11 Abs. 4 EGBGB und Art. 11 Abs. 5 Rom I-VO auf Grundstückssachverhalte
Rz. 187
Gemäß Art. 11 Abs. 5 Rom I-VO gilt für die Form obligatorischer Verträge über Grundstücke das Recht des Belegenheitsstaates, wenn es international zwingend die Anwendung seiner Formvorschriften vorschreibt (vgl. Rdn 344). Weitergehend unterdrückt Art. 11 Abs. 4 EGBGB für die dinglichen Verfügungen über Sachen, und damit auch über Grundstücke, die Ortsform völlig und schreibt insoweit die Anwendung der Formvorschriften des Rechts vor, das für die Verfügung selbst gilt (siehe Rdn 352). Beide Vorschriften sind nach h.M. nicht zu erstrecken auf etwaige Vollmachten, die hinsichtlich entsprechender Geschäfte erteilt werden. Auch dies ist die Folge der Abstraktheit der Vollmacht vom Hauptgeschäft wie sie sich hinsichtlich der Form in § 167 Abs. 2 BGB niederschlägt. Die Zulässigkeit der Ortsform gilt auch dann, wenn ausnahmsweise nach deutschem Recht entgegen § 167 Abs. 2 BGB und § 311b Abs. 1 BGB auf das obligatorische Geschäft oder § 925 BGB auf die dingliche Verfügung anzuwenden wären. Eine im Ausland erteilte Vollmacht zur Veräußerung eines in Deutschland gelegenen Grundstücks, die aufgrund ihrer besonderen Ausgestaltung, etwa weil sie unwiderruflich erteilt ist, nach deutschem Recht der notariellen Beurkundung bedürfte, ist also auch dann formgültig, wenn sie den Formvorschriften des ausländischen Rechts entspricht, und zwar gilt dies sowohl für den schuldrechtlichen Vertrag im Hinblick auf § 311b Abs. 1 BGB wie auch hinsichtlich der Auflassung im Hinblick auf § 925 BGB.