Rz. 45
Das Gesellschaftsstatut ist seiner Reichweite nach umfassend und gilt grundsätzlich für alle gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse. Neben der Rechtsnatur, der Gründung, der Firma, der Vertretungsmacht der Organe, der Verfassung und inneren Organisation regelt es daher auch den Beginn und den Umfang der Rechtsfähigkeit. Nach einem ausländischen Gesellschaftsstatut bestehende Gesellschaften werden daher im Inland mit dem Grad an Rechtsfähigkeit anerkannt, den das ausländische Recht ihnen zugesteht, insbesondere ohne dass es bei rechtsfähigen Gesellschaften noch eines besonderen Anerkennungsaktes bedürfte. Anerkennung der Rechtsfähigkeit einer ausländischen Gesellschaft meint hier nichts anderes als die Ermittlung und Anwendung ihres Personalstatuts. Dabei ist die nach dem ausländischen Gesellschaftsrecht zugesprochene Rechtsfähigkeit im Inland selbst dann zu beachten, wenn das deutsche Recht einem entsprechenden Gebilde keine Rechtsfähigkeit zubilligen würde. Umgekehrt hat es dabei auch prinzipiell sein Bewenden, wenn das ausländische Personalstatut einer Personenverbindung keine Rechtsfähigkeit verleiht. Kennt das anwendbare Recht nur eine beschränkte Rechtsfähigkeit, so verlangt auch dies Beachtung. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist die aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis kommende ultra-vires-Lehre, welche die Rechtsfähigkeit bzw. Vertretungsmacht dahingehend beschränkt, dass Geschäfte die über den eingetragenen Bereich der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft hinausgehen, unwirksam sind. Allerdings ist diese Lehre im Interesse des Verkehrsschutzes in den ausländischen Rechtsordnungen nach und nach erheblich zurückgedrängt worden.
Rz. 46
Von jeher als problematisch erwiesen hat sich die Beurteilung solcher Gesellschaften, die im Ausland nach ausländischem Recht gegründet wurden, aber ihren Verwaltungssitz von vornherein im Inland hatten (sog. Scheinauslandsgesellschaften bzw. "pseudo foreign corporations"). Nach der Sitztheorie gilt für sie deutsches Recht, soweit es sich hierbei nicht um EU-Gesellschaften handelt. Sie wurden deshalb nicht richtig, da nach falschem Recht errichtet. Solche Gesellschaften wurden früher als nicht bestehend, also von vornherein als nicht rechtsfähig angesehen. Inzwischen hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass die Personenvereinigung konsequent nach dem Gesellschaftsstatut, also nach deutschem Recht, in den Numerus clausus der Gesellschaftsformen einzuordnen ist. Der BGH geht dabei von einer Einordnung als rechtsfähige Personengesellschaft, nämlich entweder als BGB-Gesellschaft oder, wenn ein Handelsgewerbe gem. § 1 HGB vorliegt, als OHG aus, soweit mehrere Gesellschafter vorhanden sind (andernfalls liegt ein einzelkaufmännischer Betrieb vor). Mit dieser Maßgabe sind solche Gesellschaften grundsätzlich als grundbuchfähig anzusehen, zumindest für den Fall der gesetzlichen Gründungsoption mit deklaratorisch wirkender Registereintragung. Das wird auf die vollkaufmännische OHG gemäß §§ 105 Abs. 1, 123 Abs. 1 HGB zutreffen, die durch Gesellschaftsvertrag als rechtsfähige Personengesellschaft gegründet werden kann, ohne dass deren Rechtsfähigkeit von der Handelsregistereintragung abhängt. Richtigerweise trifft das auch auf die GbR zu und zwar ungeachtet von § 47a GBO. Auch nach neuem Recht ist die Eintragung der GbR in das Gesellschaftsregister freiwillig und lässt die GbR-Gründung außerhalb des Registers zu (vgl. §§ 705 Abs. 2, 707 Abs. 1 BGB). Zudem handelt es sich bei § 47a GBO um eine grundbuchverfahrensrechtliche Regelung, der keine materiell-rechtliche Rechtswirkung zukommt, so dass ein Eigentumserwerb am Grundstück durch eine GbR grundsätzlich auch ohne Eintragung in das Gesellschaftsregister denkbar ist (wenngleich das praktisch wegen § 47a GBO kaum vorkommen wird). Die vorgenannten Grundsätze gelten auch insoweit, als die Gesellschaft im Gründungsstaat nach dem dortigen Gründungsrecht liquidiert und gelöscht wird. Sie besteht im Inland als sog. Rest-oder Spaltgesellschaft fort; ihr Vermögen wird nicht herrenlos. Der BGH betont, dass eine Gesellschaft, die im Gründungs- bzw. Heimatstaat ihre Rechtsfähigkeit durch staatliche Zwangsmaßnahmen verloren hat, hinsichtlich ihres ausländischen Vermögens weiter existiert, und sei es auch lediglich zum Zwecke der Liquidation – z.B. eine Limited (Ltd.) mit Sitz in Nassau/Bahamas, die im Inland als Grundschuldinhaberin in das Grundbuch eingetragen ist. Es kann hier unter Umständen die Bestellung eines Nachtragsliquidators in Betracht kommen. Insoweit behält sie ihren rechtlichen Status, der ihr nach der Sitztheorie zugeordnet wird. Bei EU-Auslandsgesellschaften, die im Gründungs- bzw. Heimatstaat im Register gelöscht werden, hat das OLG Brandenburg festgestellt, dass diese weiterhin als Restgesellschaft existieren und ihren Status als juristische Person auch bezüglich des Inlandsvermögens behalten, wenn sie nach den Grundsätzen des EuGH als...