Rz. 172
Wenn und soweit Vollmachten zu Verfügungen über Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte und dingliche Rechte an solchen ermächtigen, ist Vollmachtsstatut das Belegenheitsrecht (Lex rei sitae) der fraglichen Immobilie. Dasselbe soll gelten für Vollmachten zur Verwaltung von Immobilien. Diese Anknüpfungsregeln für die rechtsgeschäftliche Vertretung bei Immobilienverfügungen und -verwaltung wird zum Teil als Konkretisierung des Wirkungsstatuts verstanden; andere sehen dagegen darin eine Ausnahme von den allgemeinen Anknüpfungsregeln des Vollmachtsstatuts. Vollmachten, die sich auf in Deutschland belegene Grundstücke beziehen, richten sich damit nach deutschem Recht, bei Grundstücken im Ausland hingegen nach dem jeweiligen ausländischen Recht. Die Vollmacht beurteilt sich auch und gerade dann nach dem Belegenheitsrecht, wenn von ihr außerhalb des Staates der lex rei sitae Gebrauch gemacht wird.
Rz. 173
Die Anknüpfung "lege rei sitae" betrifft bei Grundstückssachen nicht auch Vollmachten zum Abschluss des schuldrechtlichen Kausalgeschäfts. Sie zielt in erster Linie auf das dingliche Geschäft (im deutschen Recht die Einigung bzw. Auflassung nach §§ 873, 925 BGB). Wenn und soweit die Vollmacht die obligatorischen Vereinbarungen über Grundstücke betrifft, verbleibt es beim allgemeinen Grundsatz der Anwendung des Rechts des Wirkungslandes, konkretisiert durch den Gebrauchsort der Vollmacht.
Rz. 174
Bei der rechtsgeschäftlichen Stellvertretung bei Grundstücksgeschäften muss nicht nur streng zwischen den schuldrechtlichen Erklärungen, etwa dem Kaufvertrag oder dem Schenkungsvertrag, und den für die dingliche Erfüllung ggf. zusätzlich erforderlichen sachenrechtlichen Erklärungen getrennt werden, sondern auch noch den verfahrensrechtlichen Erklärungen, die für einen etwaigen Vollzug im Grundbuch, oder, soweit vorhanden, einem ähnlichen Register erforderlich sind, gesonderte Beachtung geschenkt werden. Aus Sicht deutscher Grundbücher sind hier vor allem Vollmachten gemeint, die (auch) zur Abgabe von Eintragungsanträgen nach § 13 GBO und Eintragungsbewilligungen nach § 19 GBO ermächtigen, da es sich bei beiden um reine Verfahrenshandlungen handelt (vgl. § 13 GBO Rdn 30). So wie Prozessvollmachten nach der Lex fori des Landes zu beurteilen sind, vor dessen Gerichten von ihnen Gebrauch gemacht wird, gilt allgemein für die Vollmacht zur Abgabe verfahrensrechtlicher Erklärungen die Lex fori, d.h. diejenige Verfahrensrechtsordnung, die für die jeweilige Behörde bzw. das jeweilige Gericht gilt. Vollmachten, die auf deutsche Immobilien bezogene Verfahrenserklärungen, insbesondere Anträge und Bewilligungen, betreffen, unterstehen deshalb deutschem Grundbuchrecht.
Rz. 175
Übt der Stellvertreter seine charakteristische Berufstätigkeit von einem bestimmten Geschäftssitz bzw. einer (eigenen) Niederlassung her aus, so soll nach wohl überwiegender Meinung das Recht am Ort dieses Sitzes bzw. der Niederlassung maßgeblich sein, jedenfalls wenn dem Dritten das Handeln von diesem Sitz bzw. dieser Niederlassung aus bekannt oder infolge Fahrlässigkeit unbekannt war; der tatsächliche Gebrauchsort von der Vollmacht soll dann keine Rolle spielen. Unter diese Grundsätze fielen auch Vollmachten, deren Inhalt bzw. Umfang gesetzlich zwingend geregelt ist, wie namentlich die deutsche Prokura, da es auch insoweit um eine rechtsgeschäftlich erteilte Vollmacht geht, so dass sie nicht den gesetzlichen Vertretungsbefugnissen des Gesellschaftsrechts gleichgestellt werden kann.