Rz. 18
Im Interesse des Schutzes des gutgläubigen Rechtsverkehrs schränkt Art. 13 Rom I-VO die Wirkungen des Art. 7 EGBGB in erheblicher Weise ein. Nach dem Wortlaut kann sich bei einem Vertragsschluss zwischen Personen, die sich in demselben Staat befinden, eine natürliche Person, die nach dem Recht dieses Staates rechts-, geschäfts- und handlungsfähig wäre, nur dann auf ihre aus dem Recht eines anderen Staates sich ergebende Rechts-, Geschäfts- und Handlungsunfähigkeit berufen, wenn der andere Vertragsteil bei Vertragsabschluss diese Unfähigkeit kannte oder infolge Fahrlässigkeit nicht kannte (im Wortlaut gleich Art. 12 EGBGB). Die Vorschrift gilt für die von der Rom I-VO erfassten Schuldverträge. Demgemäß bleiben von Art. 13 Rom I-VO sachlich ausgenommen alle Verfügungen über Sachen und Rechte und auch die hierfür erforderlichen Verfahrenshandlungen (siehe sogleich Rdn 21). Für Verfügungen über Sachen und Rechte und Verfügungen über im Inland liegende Grundstücke verbleibt es damit bei Art. 12 EGBGB, welcher weiterhin gilt, soweit Art. 13 Rom I-VO nicht eingreift. Verfügungen über ausländische Grundstücke unterfallen gem. Art. 12 S. 2 EGBGB dem Heimatrecht der jeweiligen Partei. Dabei stimmen Art. 13 Rom I-VO und Art. 12 S. 1 EGBGB weitgehend überein, wobei jedoch im Rahmen der Auslegung nicht verkannt werden darf, dass Art. 13 Rom I-VO autonom europäisch auszulegen ist, während Art. 12 EGBGB eine nationale deutsche Vorschrift ist. Dabei ist weitgehend anerkannt, dass über den Wortlaut hinaus diese Vorschriften in ihrem jeweiligen Anwendungsbereich auch auf einseitige zugangsbedürftige Rechtsgeschäfte analog anzuwenden sind (Anfechtungen, Kündigungen, Rücktritte). Demgegenüber ist es nicht notwendig, Schenkungen aus dem Anwendungsbereich von Art. 13 Rom I-VO herauszunehmen. Der für den vertrauensbildenden Inlandsbezug notwendige Aufenthalt der Beteiligten im selben Staat bei Vertragsschluss ist im Falle der Stellvertretung in ausreichendem Maße gegeben, wenn der Vertreter sich im Inland befindet. Etwaige vom Vertragspartner aus einem ausländischen Aufenthalt des Vertretenen zu schließende Folgerungen sollte man bei der Frage der Gutgläubigkeit behandeln. Für diesen guten Glauben schadet bereits Fahrlässigkeit. Die bloße Kenntnis der Ausländereigenschaft des Kontrahenten rechtfertigt den Fahrlässigkeitsvorwurf allerdings noch nicht. Insoweit werden üblicherweise die Umstände des jeweiligen Geschäfts in Betracht gezogen; bei alltäglichen Ladengeschäften soll grundsätzlich keine Ermittlungsobliegenheit bestehen, wohingegen bei größeren Geschäften die Gegenseite im erhöhten Maße zur Nachforschung gehalten sei. Der Verkehrsschutz wird in bedenklicher Weise eingeschränkt, wenn eine gesteigerte Ermittlungspflicht immer schon daraus entnommen wird, dass für das fragliche Geschäft die notarielle Beurkundung vorgeschrieben ist (z.B. § 311b Abs. 1 BGB) bzw. dass der Notar gem. seiner aus § 17 Abs. 3 BeurkG folgenden Hinweispflicht den Beteiligten die Möglichkeit der Anwendbarkeit ausländischen Rechts vor Augen geführt hat.
Rz. 19
Rechtsfolge des Art. 13 Rom I-VO bzw. Art. 12 S. 1 EGBGB ist, dass der nach dem Recht des Abschlussortes Geschäftsfähige sich auf eine aus dem Geschäftsfähigkeitsstatut (Art. 7 Abs. 2 EGBGB) folgende mangelnde Geschäftsfähigkeit nicht berufen kann. Dies ist von Amts wegen zu berücksichtigen. Ist das Rechtsgeschäft nach Ortsrecht und Fähigkeitsstatut nicht voll gültig, so beurteilen sich die Ungültigkeitsfolgen, wenn sie verschieden sind, nach dem milderen Recht. Es ist umstritten, ob der in seinem Vertrauen geschützte Vertragspartner auch das Recht hat, auf die Begünstigung des Art. 12 S. 1 EGBGB bzw. Art. 13 Rom I-VO zu verzichten, um es bei einer Unwirksamkeit nach dem gem. Art. 7 Abs. 2 EGBGB zu bestimmenden Geschäftsfähigkeitsstatut zu belassen.
Rz. 20
Keinen Verkehrsschutz gibt es gem. Art. 1 Abs. 2 lit. b) und c) Rom I-VO sowie Art. 12 S. 2 EGBGB bei familien- und erbrechtlichen Rechtsgeschäften, z.B. Ehevertrag, Unterhaltsvereinbarung, Errichtung oder Aufhebung einer Verfügung von Todes wegen, Erbausschlagung, Erbverzicht, Erbvertrag und Erbschaftskauf, sowie auch Verfügungsgeschäfte über Grundstücke, die sich in einem anderen Staat als dem des Vertragsschlusses befinden. Im Umkehrschluss ergibt sich daraus, dass in Deutschland abgeschlossene Verfügungsgeschäfte über in Deutschland belegene Grundstücke dem Verkehrsschutz des Art. 12 S. 1 EGBGB unterfallen.
Rz. 21
Für die im Grundbuchverfahren erforderliche Verfahrensfähigkeit gilt Art. 13 Rom I-VO bzw. Art. 12 EGBGB nicht, da prozessuale Handlungen keine Schuldverträge sind und auch sonst nicht als Rechtsgeschäfte angesehen werden können.