I. Die Möglichkeit der Einsichtserlangung
Rz. 4
Die Gewährung der Grundbucheinsicht kann auf zweierlei Weise erlangt werden:
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durch Antragstellung gem. § 12 GBO beim Grundbuchamt; über den Antrag wird in einem durch die Grundbuchordnung geregelten justiziellen Verfahren entschieden (siehe unten Rdn 14 ff.), |
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durch Antrag bei der zuständigen Justizverwaltungsbehörde; über diesen Antrag wird im Verwaltungswege entschieden (siehe unten Rdn 8). |
Beide Verfahren sind nicht nebeneinander oder wahlweise möglich, sie sind je nach dem für die Einsicht maßgebenden Zwecke gegeben. Das Verfahren nach § 12 GBO ist einzuschlagen, wenn die Einsicht aufgrund rechtlicher oder wirtschaftlicher Beziehungen zum Eigentümer verlangt wird, wenn die Einsicht also aufgrund des formellen Publizitätsgrundsatzes (siehe oben Rdn 1) begehrt wird. Wird die Einsicht wegen wissenschaftlicher, z.B. rechtsgeschichtlicher oder volkskundlicher Studien, oder zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben verlangt (im Einzelnen siehe Rdn 8), so handelt es sich um ein im Verwaltungswege zu behandelndes Ersuchen.
II. Das berechtigte Interesse
Rz. 5
§ 12 GBO setzt für die Gewährung der Einsicht das Bestehen eines berechtigten Interesses und dessen Darlegung voraus. Der Begriff des berechtigten Interesses ist weiter gefasst, als der des rechtlichen Interesses. Während letzteres regelmäßig eine Beziehung zu einem bereits bestehenden Rechtsverhältnis, eine Beeinflussung der privat- oder öffentlich-rechtlichen Situation des Betroffenen voraussetzt, umfasst das berechtigte Interesse z.B. auch wirtschaftliche Interessen, die allerdings rechtliche Fragestellungen mit berühren müssen. Der Begriff ist andererseits enger als der des wirtschaftlichen Interesses oder der bloßen Neugier, es genügt nicht jedes beliebige Interesse, sondern nur ein bei verständiger Würdigung der Sachlage und auch des vielleicht widerstreitenden Interesses des Grundstückseigentümers als gerechtfertigt anzuerkennendes Interesse. Berechtigt i.S.v. § 12 GBO ist nur ein solches Interesse, das sich darauf gründet, dass in Bezug auf das im Grundbuch Verlautbarte ein rechtlich relevantes Handeln beabsichtigt ist. Nur ein solches Interesse hat Bezug zur materiellen Publizitätswirkung: Wer durch das Grundbuch rechtlich handeln will, bedarf des Schutzes des Grundbuches. Das Grundbuch ist keine Bürgerauskunftei für interessante Dinge, sondern ein Instrument des Rechtsverkehrs. Es dient lediglich der Verlautbarung sachenrechtlicher Rechtsverhältnisse. Die in den Medien oder auch der Politik oft geäußerte Kritik, das Grundbuch sage nichts über den Wert einer Immobilie oder den "wahren Eigentümer" aus, wenn eine juristische Person als Rechtsinhaber eingetragen ist, geht fehl (dazu auch § 1 Einl. Rdn 12 ff.). Der Wert einer Immobilie ist ein lediglich wirtschaftlicher Tatbestand, der auch Schwankungen unterliegt, es ist nicht Sache des Grundbuchs, ihn zu verlautbaren. In diesem Zusammenhang muss auch die Auskunft an die Presse zur Befriedigung eines angeblich öffentlichen Interesses kritisch beurteilt werden, wenn bspw. der Kaufpreis erfragt wird, den ein Politiker für seine Immobilie angeblich bezahlt hat (§ 1 Einl. Rdn 26). Auch das Rechercheinteresse der Presse muss im Zusammenhang mit dem rechtlichen Inhalt des Grundbuchs stehen, auch wenn das Grundbuchamt nicht beurteilen darf, ob die erbetene Auskunft im Einzelfall geeignet ist, der Recherche zum Erfolg zu helfen. Es müssen aber wenigstens die Kriterien für ein öffentliches Interesse sachlich nachvollziehbar sein. Daher steht auch einem Abgeordneten des Deutschen Bundestages oder der Volksvertretung eines Landes nicht allein aufgrund der Stellung als Abgeordneter ein Anspruch auf Grundbucheinsicht zu (siehe auch Rdn 9). Die Kontrollfunktion der Parlamente gegenüber Regierung und Verwaltung kann ein öffentliches Interesse an der Grundbucheinsicht begründen, dies setzt aber voraus, dass die Grundbucheinsicht der Aufklärung von Missständen oder Fehlverhalten im Bereich der Exekutive dient und nicht lediglich allgemeinen Informationszwecken. Daher besteht kein Einsichtsrecht, wenn durch die Grundbucheinsicht die Möglichkeiten der Enteignung von Wohnungsunternehmen ermittelt werden sollen, oder wenn die Eigentumsverhältnisse religiöser Vereine ermittelt werden sollen. Das Interesse einer Personengruppe, gegen eine bestimmte Person wegen ihres Berufes vorgehen zu wollen, stellt ebenso kein berechtigtes Interesse an der Grundbucheinsicht dar. Ebenso wenig ist der Verdacht, bei der Vergabe von Grundstücksrechten (Erbbaurechten) benachteiligt worden zu sein, ein ausreichendes berechtigtes Interesse. Schließlich ist eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt nicht kraft ihrer Stellung als Anstalt des öffentlichen Rechts zur Einsicht befugt, denkbar wäre ein Einsichtsrecht als Gläubigerin im Rahmen der Zwangsvollstreckung.
Rz. 6
Das berechtigte Interesse ist darzulegen, sofern nicht eine ausdrückliche Ausnahme von der Darlegungspflicht vorliegt. Darlegen ist weniger als Glaubhaftmachung i.S.d. § 31 FamFG