I. Auslegung
Rz. 52
Der gestellte Antrag ist als verfahrensrechtliche Erklärung auslegungsfähig in entsprechender Anwendung des § 133 BGB, auch durch das Beschwerdegericht; dabei genügt es, wenn im Wege der Auslegung der Inhalt bestimmbar ist. Die Auslegung darf sich jedoch nur auf den Wortlaut und Sinn der Urkunde stützen. Außerhalb der Erklärung liegende Umstände dürfen (nur) insoweit herangezogen werden, als sie für jedermann ohne weiteres erkennbar sind. Der individuelle Auslegungsrahmen des § 157 BGB gilt wegen des möglichen Drittbezugs gerade nicht. Weitere Beschränkungen ergeben sich aus den Ausdrücklichkeitsgeboten des § 28 GBO.
Rz. 53
Andererseits ist der gesamte Inhalt der vorgelegten Urkunde heranzuziehen, auch schuldrechtliche Erklärungen. Außerdem muss bei der Auslegung auf die besonderen Erfordernisse des Grundbuchs Bedacht genommen werden. Der Zweck des Grundbuchs, auf sicherer Grundlage bestimmte und eindeutige Rechtsverhältnisse zu schaffen und zu erhalten, erfordert klare und eindeutige Eintragungen. Sie sind nur möglich, wenn auch die Eintragungsunterlagen eindeutig und zweifelsfrei sind. Es genügt nicht, dass der Grundbuchrichter das Gewollte als möglich folgern kann. Bleibt der Umfang des gestellten Antrags zweifelhaft, so besteht ein Eintragungshindernis. Das GBA hat durch Zwischenverfügung für die Klärung zu sorgen.
Die Rspr. betont jedoch auch: bei verschiedenen Auslegungsmöglichkeiten ist im Zweifel die allein Eintragungsfähige gewollt.
Rz. 54
Trotz allgemeinen Einverständnisses über diese abstrakten Obersätze verfährt die Grundbuchpraxis in der Auslegung häufig zu engherzig. So enthält die Eintragungsbewilligung i.d.R. keinen Antrag (abweichende Auslegung ggf. möglich), regelmäßig aber der – formgerechte – Antrag die Bewilligung, der – wieder: formgerechte – Löschungsantrag des Eigentümers dessen Zustimmung nach § 27 GBO.
Wird eine Eintragung beantragt, deren notwendige Voraussetzung eine andere Eintragung bildet, so ist eine Auslegung dahingehend möglich, dass alle Eintragungen beantragt sind, welche zur Erreichung des Endzustands erforderlich sind, wie bspw. die Eintragung der Pfändung vor Löschung der gepfändeten und zur Einziehung überwiesenen Hypothek auf Antrag des Pfändungsgläubigers.
Rz. 55
Andererseits musste das OLG München korrigieren: Eine im Passiv formulierte Erklärung zum Eigentumsübergang enthält die Auflassung. Der BGH hielt anstelle einer – unzulässigen – Vormerkung an einem (nicht verselbstständigten) Miteigentumsanteil selbstverständlich die Eintragung einer Vormerkung am Gesamtgrundstück für beantragt.
Rz. 56
Richtig dürfte aber sein, dass ein formgerecht und ausdrücklich gestellter Antrag nicht stillschweigend als gegenstandslos ausgelegt und unbeachtet übergangen werden darf. Gleichwohl kann das GBA m.E. in solchen Fällen evidenten Irrtums statt einer Zurückweisung als sonstige Verhaltensweise die Rücknahme anregen.
II. Umdeutung
Rz. 57
Eine Umdeutung des Antrags nach § 140 BGB ist grundsätzlich nicht möglich, vor allem dann nicht, wenn die Eintragung bei Umdeutung andere und weniger weitgehende Folgen hätte.