Rz. 82
Ist die Grundbucheintragung auf der Grundlage der Bewilligung eines Nichtberechtigten bereits erfolgt, muss das GBA das eingetragene Recht gem. § 891 BGB als wirksames Vollrecht behandeln, solange ihm nicht mit Sicherheit bekannt oder in Form des § 29 GBO nachgewiesen wird, dass das Grundbuch unrichtig ist.
Rz. 83
Das GBA hat einen Eintragungsantrag abzulehnen, wenn ein gutgläubiger Erwerb ausgeschlossen ist. Einzelfälle:
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vorherige oder gleichzeitige Eintragung eines wirksamen (Amts-)Widerspruchs, selbst unter Verstoß gegen §§ 17, 45 GBO; |
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Rechtserwerb von einem nicht im Grundbuch Eingetragenen oder ihm Gleichgestellten (§ 1155 BGB); deshalb sollte die Bedeutung des § 39 GBO und § 1155 BGB nicht unterschätzt werden; |
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persönliche oder wirtschaftliche Identität von Veräußerer und Erwerber; |
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in allen Fällen eines nichtrechtsgeschäftlichen Erwerbs, z.B. durch Staatsakt, Zwangsvollstreckung, kraft Gesetzes; |
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bei Erwerb entgegen absoluten Verfügungsbeschränkungen, sofern sie nicht ausnahmsweise einem Gutglaubensschutz unterliegen. |
Rz. 84
Ob das GBA in Kenntnis der Unrichtigkeit des Grundbuchs bzw. Bestehens der Verfügungsbeschränkung dem im Zeitpunkt der Antragstellung gutgläubigen Erwerber zur Grundbucheintragung nicht verhelfen darf oder gar verhelfen muss, ist nach wie vor umstritten.
Rz. 85
Zur Veranschaulichung folgender Fall:
Am 30.3. einigen sich A und B über den Eigentumsübergang am Grundstück. Am 1.4. um 9.30 Uhr Insolvenzeröffnung gegen A (§ 27 InsO), 13.45 Uhr Einlauf des Ersuchens auf Eintragung des Insolvenzvermerks beim GBA (§ 32 Abs. 2 S. 1 InsO), um 14.05 Uhr Vorlage an Grundbuchrechtspfleger, um 16.50 Uhr Aufgabe des Beschlusses zur Post (§§ 27, 28 InsO), der bei B am folgenden Tag eingeht.
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Fall 1: Auflassungsurkunde geht mit Antrag des B am 1.4. um 9.29 Uhr beim GBA ein (also vor Insolvenzeröffnung). A ist noch verfügungsberechtigt und bleibt es wegen § 91 Abs. 2 InsO i.V.m § 878 BGB. Das GBA muss B, der vom Berechtigten nach § 878 BGB erwirbt, als Eigentümer eintragen. Insolvenzrechtliche Anfechtungsmöglichkeiten bleiben davon unberührt. |
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Fall 2: Grundbucheinlauf um 9.31 Uhr. A hat mit Insolvenzeröffnung um 9.30 Uhr Verfügungsmacht verloren (§ 80 InsO), was in diesem Zeitpunkt nur der Insolvenzrichter weiß. § 878 BGB ist ausgeschlossen, § 892 BGB kann in Frage kommen: Nach h.M. wird der Grundbuchbeamte die Eintragung nur verfügen, wenn ihm die Insolvenzeröffnung noch nicht bekannt ist, also vor 14.05 Uhr. Wird eingetragen, ist das Grundbuch infolge Gutglaubenserwerbs richtig (§ 91 Abs. 2 InsO i.V.m. § 892 BGB). Insolvenzrechtliche Anfechtungsmöglichkeiten bleiben davon wiederum unberührt. Nach a.A. in der Literatur muss B unabhängig von der Kenntnis des Grundbuchbeamten von der Insolvenzeröffnung als Eigentümer eingetragen werden, da die objektiven Voraussetzungen des § 892 BGB und § 17 GBO vorliegen und Bösgläubigkeit des B (subjektive negative Voraussetzung) nicht nachgewiesen ist. |
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Fall 3: Grundbucheinlauf der Auflassung mit Antrag des B und gleichzeitig auch Ersuchen um Insolvenzvermerk um 13.45 Uhr. Der Grundbuchbeamte darf nicht eintragen. Die Insolvenzeröffnung ist ihm bekannt (so die Begründung der h.M.), die beiden Anträge gehen gleichzeitig ein, § 17 GBO ist daher nicht erfüllt. B ist nicht Eigentümer geworden, wenn sein Erwerb gleichzeitig mit Eintragung des Insolvenzvermerks eingetragen wurde und er deshalb nicht mehr gutgläubig sein kann. |
Rz. 86
Nach der überwiegenden und auch hier vertretenen Meinung hat das GBA die Eintragung abzulehnen, wenn es die Unrichtigkeit des Grundbuchs oder eine bereits rechtswirksam entstandene Verfügungsbeschränkung kennt und kein Fall des § 878 BGB vorliegt. Es hat nicht das Recht, dem Erwerber zu einem materiell unberechtigten Erwerb aufgrund seines guten Glaubens zu verhelfen. Der Erwerber hat trotz guten Glaubens keinen Anspruch darauf, dass sich sein Rechtserwerb entgegen dem Verfügungsverbot vollendet. Der Grundsatz, dass das GBA von Amts wegen die Verfügungsbefugnis des Bewilligenden zu prüfen und die Eintragung abzulehnen hat, wenn diesem die Verfügungsmacht im Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs, also der Eintragung fehlt, wird nur durch § 878 BGB, nicht durch § 892 Abs. 2 BGB eingeschränkt. Der gute Glaube des Rechtserwerbers spielt im Grundbuchverfahren keine Rolle – im Anwendungsbereich des § 19 GBO schon deshalb nicht, weil der Erwerber dort am Rechtserwerb gar nicht mitwirkt, im Anwendungsbereich des § 20 GBO ebenfalls nicht, der auf die erforderliche Einigung des Berechtigten und des Erwerbers abhebt. Daraus ergibt sich für den Rechtsverkehr die Konsequenz, dass sich der Erwerber eines dinglichen Rechts vor Grundbucheintragung nicht auf die Eintragung verlassen und ihm auch eine Notarbestätigung keine Gewissheit verschaffen kann.
Rz. 87
Nach einer in der Literatur mittlerweile weit verbreiteten Ansicht durchbreche die h.M. in unzulässiger Weise den Gru...