1. Überblick
Rz. 205
Das BauGB regelt in den §§ 24 ff. allgemeine und besondere Vorkaufsrechte zur Sicherung der Bauleitplanung, der Steuerung der Stadtentwicklung durch Ausnützen von Marktchancen und der Umschichtung und Umverteilung von Grundeigentum durch Bereitstellung von Bauland. Für das Vorkaufsrecht sind drei Stufen, nämlich seine von bestimmten öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen (Grundstücksnutzung für öffentliche Zwecke) abhängige Entstehung, der Vorkaufsfall, für den das BauGB in § 28 Abs. 2 S. 2 BauGB auf die zivilrechtlichen Bestimmungen zum schuldrechtlichen Vorkaufsrecht (§ 463 BGB) verweist, und seine Ausübung, die durch Verwaltungsakt erfolgt (§ 28 Abs. 2 S. 1 BauGB) zu unterscheiden:
Rz. 206
Das gemeindliche Vorkaufsrecht kann im Grundbuch nicht eingetragen und erst nach dem Vorkaufsfall und nur bis zur Eintragung des Erwerbers durch Vormerkung gesichert werden (siehe § 6 Einl. Rdn 239). Es wirkt nicht wie ein dingliches Vorkaufsrecht. Ob es besteht und zu welchen Bedingungen, kann zunächst nur von der Gemeinde selbst festgestellt werden. Deshalb hat der Notar bei Beurkundungen lediglich darauf hinzuweisen, dass ein gesetzliches Vorkaufsrecht bestehen kann (§ 20 BeurkG). Zur Einholung der Erklärung der Gemeinde ist der Notar dagegen nicht gesetzlich, sondern nur auf der Grundlage eines entsprechenden Vollzugsauftrags verpflichtet und einer Vollzugsvollmacht berechtigt; eine bloße Empfangsvollmacht berechtigt nicht zur Entgegennahme der Ausübungserklärung.
Rz. 207
Die Gemeinde hat (auf Antrag) unverzüglich ein Negativzeugnis auszustellen, wenn sie kein Vorkaufsrecht hat oder es nicht ausübt (siehe Rdn 212). Der Käufer hat keine Mitteilungspflicht, aber ebenso wie der Verkäufer ein berechtigtes Interesse daran, dass die Gemeinde möglichst schnell rechtsverbindlich Klarheit über Bestehen und Ausübung des Vorkaufsrechts schafft und nur dann den Vertragsinhalt erfährt, wenn ihr ein Vorkaufsrecht zusteht. Empfohlen wird deshalb unter dem Gesichtspunkt der notariellen Verschwiegenheitspflichten und im Lichte der DSGVO eine zweistufige Mitteilung, wobei der Gemeinde zunächst lediglich der Verkauf des Grundstücks mitgeteilt wird und nur dann, wenn das Vorkaufsrecht und seine Ausübung in Frage kommen, auf Anforderung eine Ausfertigung übersandt wird. Die Erstmitteilung setzt allerdings die Ausübungsfrist nicht in Lauf.
2. Vorkaufsrecht beim Kauf von Grundstücken
Rz. 208
Der Gemeinde steht ein Vorkaufsrecht nur "beim Kauf von Grundstücken" zu, ggf. auch einer gemischten Schenkung, und damit auch bei Grundstücksteilen oder Miteigentumsanteilen, nicht jedoch bei Kaufverträgen über Wohnungseigentum, selbst wenn sämtliche Miteigentumsanteile einer Wohnanlage veräußert werden, und auch bei einem Kaufvertrag, der erst durch Ausübung des einem Dritten (z.B. Mietervorkaufsrecht) zustehenden Vorkaufsrechts zustande gekommen ist. Ist nur der Erwerb einer Teilfläche durch das Gemeinwohl gerechtfertigt (§ 24 Abs. 3 S. 1 BauGB), ist das Vorkaufsrecht darauf beschränkt; (nur) der Verkäufer kann dann gem. § 28 Abs. 2 S. 2 BauGB und § 467 S. 2 BGB von der Gemeinde u.U. den Gesamterwerb verlangen. Handelt es sich um die Veräußerung eines Gesamthandsanteils (Erb- oder Gesellschaftsanteils), hat die Gemeinde auch dann kein Vorkaufsrecht, wenn das Gesamthandsvermögen nur aus einem Grundstück besteht. Kein Vorkaufsrecht steht der Gemeinde zu, wenn die bürgerlich-rechtlichen Voraussetzungen eines Vorkaufsfalls (§ 463 BGB) nicht oder noch nicht erfüllt sind. Umgehungsgeschäfte lösen das Vorkaufsrecht aus.
3. Ausnahmen vom Vorkaufsrecht der Gemeinde
Rz. 209
Das BauGB enthält in den §§ 24 Abs. 2 (Verkauf von Rechten nach dem WEG und von Erbbaurechten) und 26 BauGB (Verkauf an bestimmte Personen, privilegierte Bedarfsträger oder zu bestimmten bauplanerischen oder städtebaulichen Zwecken) Ausnahmevorschriften, wonach ein Vorkaufsrecht entweder nicht besteht oder nicht ausgeübt werden darf. § 27 BauGB ermöglicht in bestimmten Fällen die Abwendung des Vorkaufsrechts und...