I. Eintragung trotz Nichtübereinstimmung mit der Einigung
1. Grundlagen
Rz. 32
Folge des Bewilligungsgrundsatzes des § 19 GBO (formelles Konsensprinzip) kann sein, dass die Bewilligung entgegen § 873 BGB von der materiellen Einigung der Beteiligten abweicht oder gar eine Eintragung ganz ohne Vorliegen der notwendigen Einigung vorgenommen wird. Die materielle Rechtslage hängt nicht davon ab, ob der Antrag und die Bewilligung mit der Einigung korrespondieren oder ob das GBA die Eintragung übereinstimmend mit dem Antrag und der Bewilligung vornimmt. Für die Richtigkeit oder Unrichtigkeit des Grundbuchs ist allein maßgebend, ob die Eintragung mit der Einigung oder der Aufgabeerklärung übereinstimmt.
Rz. 33
Daneben kommen folgende Fälle einer Eintragung, deren materielle Voraussetzungen fehlen oder mit Mängeln behaftet sind, in Frage:
a) |
Die Einigung (§ 873 Abs. 1 BGB) ist noch nicht erfolgt, (noch) nicht wirksam oder bei Eintragung nicht mehr wirksam, ohne dass bislang eine wirksame neue Einigung erfolgt ist. Bei der Auflassung müssen sowohl die Erklärung des Veräußerers als auch die des Erwerbers bestimmt und eindeutig erfolgt sein. |
b) |
Die nach §§ 876, 877 BGB materiell notwendige Zustimmung eines mittelbar Betroffenen ist nicht erteilt worden, wobei es nicht darauf ankommt, ob ihr Nachweis im Grundbuchverfahren nach § 21 GBO erforderlich war, sondern es ist ausschließlich die materielle Rechtslage von Belang. |
c) |
Dem Bewilligenden war die Verfügungsbefugnis entzogen (z.B. allgemein durch Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder speziell durch einstweilige Verfügung) und der Erwerber hat das Recht nicht gutgläubig erworben, ohne dass die Voraussetzungen des § 878 BGB vorlagen. |
d) |
Eine Verfügungsbeschränkung aufgrund öffentlichen Rechts war materiell eingetreten (z.B. wegen eines Umlegungs- oder Sanierungsverfahrens, siehe § 20 GBO Rdn 158 ff.); ein Erwerb kraft öffentlichen Glaubens nach §§ 892, 893 BGB scheidet in solchen Fällen aus, da Verstöße gegen derartige Verbote nicht erfasst sind (vgl. § 20 GBO Rdn 162). Gleiches gilt für privatrechtliche absolute Verfügungsverbote, z.B. nach § 1365 Abs. 1 S. 2 BGB. |
Rechtsfolge ist in allen genannten Fällen die Unrichtigkeit des Grundbuchs hinsichtlich der gesamten Eintragung.
2. Abweichungen zwischen Einigung und Eintragung (Fallgruppen)
a) Eintragung eines anderen Rechts oder Berechtigten
Rz. 34
Ein denkbarer Fall der Abweichung zwischen Einigung und Eintragung besteht darin, dass anstelle des Rechts, über das sich die Beteiligten im Sinne des § 873 BGB geeinigt haben, ein völlig anderes dingliches Recht eingetragen (vollständige Inkongruenz oder Divergenz, Aliud-Eintragung) wird, wobei es ohne Belang ist, ob eine entsprechende Bewilligung hierzu (in Abweichung von der materiellen Lage) bestand oder ob es auch an dieser mangelt. Dies liegt bspw. dann vor, wenn eine Grunddienstbarkeit gewollt war, allerdings eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit oder eine Reallast eingetragen wurde. Dasselbe gilt, wenn Einigung über ein Dauerwohnrecht erfolgte, im Grundbuch aber ein Wohnungsrecht nach § 1093 BGB eingetragen wird oder die Einigung über ein Erbbaurecht erfolgt, jedoch ein Gebäudeerrichtungsrecht als beschränkte persönliche Dienstbarkeit im Grundbuch verlautbart wird. Rechtsfolge dieser Diskrepanz ist stets, dass weder das eingetragene dingliche Recht entstanden ist (da die Einigung fehlt) noch das gewollte existiert (da die Eintragung fehlt); das Grundbuch ist in vollem Umfang unrichtig. Ob dem GBA zusätzlich ein Verfahrensverstoß vorzuwerfen ist (etwa, weil es zugleich an der entsprechenden Bewilligung fehlt), ist unerheblich.
Rz. 35
Gleiches gilt, wenn zumindest in einem wesentlichen Punkt die Übereinstimmung zwischen Einigung und Eintragung nicht vorliegt, namentlich hinsichtlich des Berechtigten (A statt B, Vater statt des gleichnamigen Sohnes; jeweiliger Eigentümer des Grundstücks Nr. 1 in Blatt 1234 statt Nr. 1 in Blatt 1243, vgl. Rdn 13) oder des belasteten Grundstücks (Nr. 11 statt Nr. 1, vgl. Rdn 13) oder des betroffenen beschränkten dinglichen Rechts (Pfandrecht an Grundschuld Abt. III Nr. 2 statt Nr. 3).
b) Minus-Eintragung
Rz. 36
Die Eintragung kann ebenso hinter der gewollten Rechtsänderung zurückbleiben (negative partielle Inkongruenz oder Divergenz, sog. Minus-Eintragung), z.B. Einigung über Grundschuld zu 12.000 EUR, Eintragung jedoch nur über 10.000 EUR; Einigung über Verkehrshypothek, aber nur Eintragung einer Sicherungshypothek; Einigung über Nießbrauch an Grundstück Nr. 1 und 2, Eintragung nur an Nr. 1; Einigung über Buchgrundpfandrecht – lediglich Eintragung eines Briefrechts (dabei kommt aber in Betracht, die nicht verwirklichte Vereinbarung über den Briefausschluss gem. § 1116 Abs. 2 BGB in eine Aushändigungsabrede nach § 1117 Abs. 2 BGB umzudeuten, ansonsten erwirbt der Gläubiger...