I. Entwicklung und Bedeutung des § 22 Abs. 2 GBO
Rz. 161
Wegen der "Bedeutung der in Frage stehenden Rechte" und weil das Eigentum "auch Verpflichtungen öffentlich-rechtlicher Natur, insbesondere in polizeilicher und steuerlicher Hinsicht auferlege", sah es der historische Gesetzgeber als notwendig an, dass der als Eigentümer oder Erbbauberechtigter Einzutragende dieser Eintragung zustimmt. Zwar treffen diese Verpflichtungen nur den wahren Eigentümer (und das unabhängig von dessen Eintragung), doch soll ihretwegen nach Auffassung des Gesetzgebers verhindert werden, dass einem anderen ohne dessen Zutun der Rechtsschein der Eigentümerstellung (vgl. § 891 BGB) aufgezwungen werden kann.
Rz. 162
Das Zusatzerfordernis des § 22 Abs. 2 GBO bezog sich nach der ursprünglichen Fassung der Vorschrift sowohl auf die bewilligte Grundbuchberichtigung als auch auf eine durch Unrichtigkeitsnachweis begründete Eintragung. Erst durch § 1 der VereinfVO vom 5.10.1942 wurde in Abs. 2 im Nebensatz die Alternative "oder die Unrichtigkeit nachgewiesen wird" eingefügt (vgl. den nunmehrigen Wortlaut der Vorschrift). Hintergrund war insbesondere, dass auf diese Weise das Grundbuch auch zwangsweise nach dem ebenfalls eingeführten § 82a GBO auf die Erben ohne deren Mitwirkung berichtigt werden konnte. Zudem verfehlte nach Ansicht des "Gesetzgebers" Abs. 2 sein Ziel, wenn es um die Berichtigung des Grundbuchs aufgrund nachgewiesener Unrichtigkeit gehe, da nur im Fall der Eintragung aufgrund einer Bewilligung der Einzutragende schutzwürdig sei.
Rz. 163
Die Genese der Einschränkung in Abs. 2 erklärt auch, warum die verbliebene Regelung der Norm an (aus heutiger Sicht) systematisch unzutreffender Stelle steht, nämlich als Abs. 2 des die Berichtigung (nur) aufgrund Unrichtigkeitsnachweises behandelnden § 22 GBO statt als eigenständige Norm hinter § 19 GBO oder § 20 GBO.
II. Erweiterungen und Einschränkungen des Anwendungsbereichs
1. Zustimmungserfordernis auch bei originärem Eigentumserwerb
Rz. 164
Entsprechende Anwendung findet Abs. 2 im Fall eines originären Eigentumserwerbs nach § 927 Abs. 2 BGB (Aufgebotsverfahren bei Ersitzung) oder § 928 Abs. 2 BGB (Aufgabe des Eigentums und Aneignung durch den Fiskus), für den die Eintragung konstitutiv ist; ausreichend ist hierfür auch ein formgerechter gemischter Antrag nach § 30 GBO. Für § 927 Abs. 2 BGB führt das im Ergebnis aber dennoch nicht dazu, dass eine öffentlich beglaubigte Zustimmungserklärung vorgelegt oder der Antrag in dieser Form gestellt werden muss, da der Ausschließungsbeschluss eine öffentliche Urkunde ist, die den Willen des sie veranlassenden Antragstellers zum Eigentumserwerb bereits hinreichend belegt. Bei der fiskalischen Aneignungserklärung (§ 928 Abs. 2 BGB) stellen sich in der Praxis deshalb keine diesbezüglichen Fragen, weil die zuständige Stelle den Antrag typischerweise in der Form des § 29 Abs. 3 GBO stellen wird. Dies ist allerdings auch erforderlich, da auf eine Erklärung, die diese Anforderungen nicht einhält, die Eintragung nicht erfolgen kann, da es dann am formgerechten Nachweis fehlt. Soweit der Staat auf sein Aneignungsrecht verzichtet hat und demzufolge jedermann zur Aneignung berechtigt ist, muss der Betreffende seine Zustimmung ebenfalls formgemäß (§ 29 Abs. 1 S. 1 GBO) erklären oder daher den Antrag auf Eintragung zumindest in öffentlich beglaubigter Form stellen.
2. Grundstücksgleiche Rechte
Rz. 165
Abs. 2 gilt nicht nur für das ausdrücklich genannte Erbbaurecht, sondern nach § 144 Abs. 1 GBO auch für landesrechtliche Erbpacht-, Büdner- und Häusler- (Art. 63 EGBGB) sowie Mineraliengewinnungsrechte (Art. 68 EGBGB) und nach überwiegender Ansicht in analoger Anwendung für andere grundstücksgleiche Rechte. Gegen eine solche Analogie spricht allerdings die Gesetzessystematik, da lediglich ein grundstücksgleiches Recht in der Norm genannt ist und daher eine Vermutung dafür spricht, dass die Fassung der Norm auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers beruht und dies deshalb einer Analogie entgegensteht. Hätte der Gesetzgeber eine analoge Anwendung auf alle grundstücksgleichen Rechte gewollt, so wäre es ein Leichtes gewesen, die Norm entsprechend zu fassen. In der Konsequenz lassen systematische Erwägungen eine...