I. Rechtsnatur und Unterschied zu anderen Schutzvermerken
Rz. 30
Der Widerspruch nach § 23 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GBO wird allgemein als ein Sicherungsmittel eigener Art angesehen. Er bezweckt, eine ansonsten etwa eintretende Grundbuchunrichtigkeit dadurch zu verhindern, dass der Nachweis fehlender Rückstände durch den Antragsteller erbracht werden muss. Die weiterhin vermeintlich richtige Eintragung wird so vor einer erleichterten Löschung nach Abs. 1 geschützt. Der Widerspruch des § 23 GBO unterscheidet sich grundlegend von den Vormerkungen und Widersprüchen nach §§ 883, 899 BGB sowie § 18 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GBO:
a) |
Die Vormerkung nach § 883 Abs. 1 BGB sichert einen schuldrechtlichen Anspruch auf eine künftige dingliche Rechtsänderung, während der Widerspruch nach § 23 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GBO ein bestehendes dingliches Recht im Grundbuch erhalten soll. |
b) |
Der Widerspruch nach § 899 BGB verhindert einen Erwerb kraft öffentlichen Glaubens in Fällen eines unrichtigen Grundbuchstandes, während der Widerspruch nach § 23 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GBO gerade die Richtigkeit des Grundbuches erhalten und eine etwaige Unrichtigkeit verhindern will. |
c) |
Die Vormerkung und der Widerspruch nach § 18 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 GBO sichern einen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Verbescheidung eines gestellten Antrags (siehe § 18 GBO Rdn 103), während der Widerspruch nach Abs. 1 S. 1 Hs. 2 den Vollzug eines gestellten oder noch zu stellenden Löschungsantrags verhindern soll. |
II. Erhebung und Eintragung des Widerspruchs
1. Eintragbarkeit bis zur Vornahme der Löschung
Rz. 31
Der Widerspruch ist nach § 23 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GBO von Amts wegen bei dem noch nicht gelöschten rückstandsfähigen Recht in das Grundbuch einzutragen, wenn eine entsprechende Erklärung des Rechtsnachfolgers beim Grundbuchamt eingegangen ist. Der Widerspruch kann auch nach Ablauf des Sperrjahres erhoben und eingetragen werden, solange noch keine Löschung des Rechts erfolgt ist. Wenn ein Löschungserleichterungsvermerk nach Abs. 2 eingetragen ist, geht die Erhebung des Widerspruchs ins Leere, der Widerspruch ist nicht in das Grundbuch einzutragen; eine gleichwohl erfolgte Eintragung des Widerspruchs ist nach § 53 Abs. 1 S. 2 GBO zu löschen, da die Unzulässigkeit unmittelbar aus der Eintragung des Löschungserleichterungsvermerks folgt (vgl. auch Rdn 50 zur unzulässigen Eintragung einer Löschungserleichterungsklausel).
2. Widerspruchsberechtigung
Rz. 32
Sind mehrere Rechtsnachfolger (insbesondere Miterben) vorhanden, so genügt der Widerspruch eines von ihnen. § 23 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GBO erwähnt ausdrücklich nur den Fall, dass "der Rechtsnachfolger" nach dem Tod des Berechtigten der Löschung widersprochen hat, aus dem Zweck des Widerspruchs (siehe Rdn 36 f.) folgt aber die Widerspruchsberechtigung auch desjenigen, der durch Rechtsgeschäft oder im Wege der Zwangsvollstreckung ein Recht an dem von der Löschung betroffenen Grundstücksrecht erworben hat, ebenso wie des in den Fällen des § 24 GBO gegebenenfalls noch lebenden Berechtigten (vgl. § 24 GBO Rdn 14). Auf derartige Konstellationen ist § 23 Abs. 1 S. 1 GBO folglich analog anzuwenden.
3. Form des Widerspruchs und Nachweis der Berechtigung
Rz. 33
Die ganz herrschende Meinung nimmt an, dass die protestierende Erklärung in der Form des § 29 Abs. 1 S. 1 GBO vorgelegt werden müsse, hinsichtlich des Nachweises der Stellung als Rechtsnachfolger verweist sie (folgerichtig) auf § 29 Abs. 1 S. 2 GBO.
Rz. 34
Dem ist jedoch früher mit unterschiedlichen Argumenten entgegengetreten worden. Insbesondere wurde darauf Bezug genommen, dass es sich bei der Eintragung nach § 23 GBO um eine solche von Amts wegen handelt. Insoweit gelte das Prinzip der Amtsermittlung, so dass die Anforderungen an den Urkundsbeweis gemäß § 29 GBO nicht zu stellen seien. Zudem sei der Widersprechende nicht wie ein Berechtigter – also Inhaber des Rechts – zu behandeln, so dass er selbst durch die Löschung nicht betroffen werde und daher die Ratio des § 29 GBO nicht eingreife. Schließlich erfordere die besondere Situation im Falle des Widerspruchs ein schnelles Handeln, so dass keine hohen Formanforderungen gestellt werden dürften.
Rz. 35
Mit der ganz herrschenden Meinung ist derartigen Erwägungen aber nicht zu folgen. § 29 Abs. 1 S. 1 GBO fordert nicht nur für die Bewilligung, sondern auch für den Nachweis sonstiger Erklärungen die Vorlage öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunden. Für die Eintragung des Widerspruchs von Amts wegen ist die Existenz einer entsprechenden Widerspruchserklärung notwendige Voraussetzung, so dass § 29 Abs. 1 S. 1 GBO schon nach seinem Wortlaut eingreift. Zudem ist der Widersprechende als Erbe des vormaligen Rechtsinhabers in Bezug auf etwaige Rückstände ohne weiteres...