I. Umfang des Begriffes
Rz. 97
Der Begriff der öffentlichen Urkunde ist gesetzlich definiert in § 415 ZPO. Diese Definition gilt auch für die Grundbuchordnung. Maßgeblich ist vorrangig deren Form, allerdings wirkt auch der Inhalt über die Einhaltung der Amtsbefugnisse auf die Charakterisierung ein.
Rz. 98
Die Begriffsbestimmung gilt unmittelbar nur für die öffentlichen Urkunden des Inlandes. Auf öffentliche Urkunden des Auslandes ist die Begriffsbestimmung entsprechend anzuwenden. Jedoch ist die Echtheitsprüfung in beiden Fällen verschieden.
Rz. 99
Innerhalb des gezogenen Rahmens gilt die Begriffsbestimmung nach h.M. andererseits für Urkunden aller Art, seien es bewirkende Urkunden (Urkunden, die eine Eintragungsbewilligung verkörpern) oder Zeugnisurkunden (Urkunden, die den Eintritt von Tatsachen/Vorgängen bezeugen).
Rz. 100
Diese Differenzierung jedoch gerade vor dem Hintergrund des § 29 GBO ist wenig hilfreich. Besser wäre eine sorgfältige Subsumtion der jeweiligen Urkunde unter das Tatbestandsmerkmal des "beurkundeten Vorgangs" bei § 415 ZPO. Insbesondere bei Notarurkunden wird nur die Abgabe der Erklärung vor dem Notar voll bezeugt. Dann wiederum ist zu differenzieren: Handelt es sich um eine Willenserklärung, geht es nur um rechtliche Wirksamkeit und Unwirksamkeit der Erklärung, zu erschließen aus der Rechtsordnung. Hier liefert die Urkunde vollen Beweis. Handelt es sich hingegen um eine Wissenserklärung, macht die Beurkundung den Erklärungsinhalt aber nicht zwingend richtig.
II. Begriffsdefinition
Rz. 101
Eine öffentliche Urkunde liegt nur vor, wenn die folgenden drei Merkmale gegeben sind:
a) |
Ausstellung durch eine öffentliche Behörde oder eine mit öffentlichem Glauben versehene Person; der Urkunde einer öffentlichen Behörde sind gleichzustellen die gerichtlichen Akten des Hauptsacheverfahrens. |
b) |
Ausstellung unter Einhaltung der Grenzen der Amtsbefugnisse, sofern diese Angelegenheiten grundsätzlich in den Bereich der bezeichneten Zwecke fallen und |
c) |
Ausstellung in der vorgeschriebenen Form. |
Bei der Prüfung der einzelnen Merkmale ist zweckmäßigerweise zu unterscheiden zwischen den Urkunden von Behörden einerseits und den Urkunden von mit öffentlichem Glauben versehenen Personen andererseits.
III. Urkunden von Behörden
1. Behördenbegriff – Allgemeines
Rz. 102
Eine öffentliche Behörde wird von der feststehenden Rspr. definiert als ein in den allgemeinen Behördenorganismus eingefügtes, von der physischen Person des Amtsträgers unabhängiges Organ der Staatsgewalt, das dazu berufen ist, unter öffentlicher Autorität nach eigenem Ermessen für unmittelbare oder mittelbare Staatszwecke tätig zu sein.
Rz. 103
Für den Behördenbegriff ist es nicht wesentlich, dass die der Behörde übertragenen Befugnisse Ausübungen hoheitlicher Gewalt sind. Unerheblich ist auch, ob das Organ unmittelbar vom Staat oder von einer dem Staat untergeordneten Körperschaft zunächst für eigene Angelegenheiten bestellt ist, sofern diese Angelegenheiten zugleich in den Bereich der staatlichen oder staatlich geförderten Zwecke fallen. Obwohl der Behördenbegriff zunächst abstellt auf die unmittelbaren oder mittelbaren verfassungsmäßigen Organe des Bundes und der Länder und der diesen eingeordneten Selbstverwaltungskörpern wie Gemeinden und Gemeindeverbänden, ist er doch auszudehnen auf die Handlungsorgane (gesetzliche Vertreter) der zu speziellen Zwecken errichteten sonstigen öffentlichen rechtlichen Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts, sofern diese Träger öffentlicher Gewalt sind; wesentlich ist, dass sie in das staatliche Verwaltungssystem, vor allem in das von ihm erfasste Behördenwesen, eingegliedert sind. So ist Behörde der nach dem hessischen Sparkassengesetz der Sparkassenvorstand, der nach diesem Gesetz befugt ist, selbst hergestellte Abschriften zu beglaubigen.
Rz. 104
Ob diese Gleichstellung der Organe aller auf öffentlichem Verwaltungsrecht beruhenden Körperschaften mit den Staatsbehörden aufgrund der neueren Rechtsentwicklung mit ihrer großen Vermehrung der öffentlichen Körperschaften allgemein noch in vollem Umfang aufrechterhalten werden kann, mag zweifelhaft sein. Für das hier allein in Rede stehende Urkundenrecht muss daran festgehalten werden. Das, was der öffentlich-rechtlichen, dem Staat eingegliederten Körperschaft ihr Gepräge gibt, ist ihre innere Wesensgleichheit mit dem Staat selbst. Dann aber müssen die von ihren verfassungsmäßigen Organen ausgestellten Urkunden öffentliche Urkunden sein, einerlei, ob man diese Organe sonst als Behörden ansieht oder nicht. Die Bedenken des OLG Hamburg, dass Anlass bestehe, den Begriff der Behörde und seiner Ausdehnung auf Körperschaften des öffentlichen Rechts nicht ohne wei...