Rz. 19
Aus dem Legalitätsprinzip folgert die herrschende Praxis u.a., dass die GBA nicht sehenden Auges an der Herbeiführung einer Grundbuchunrichtigkeit mitwirken dürfen. Deswegen dürfen eintragungshindernde Tatsachen uneingeschränkt berücksichtigt werden, auch wenn sie dem GBA durch Erklärungen, die nicht die Form des § 29 GBO einhalten, bekannt geworden sind. Wollte man an den Nachweis solcher Tatsachen die Nachweisanforderungen des § 29 GBO stellen, würde der Vollzug sachlich unrichtiger Eintragungen erleichtert. Innerhalb des § 29 GBO spricht für diese Auslegung zudem, dass die Norm nur eintragungsbegründende ("zu der Eintragung erforderlich[e]") Erklärungen etc. der besonderen Form unterwirft, nicht eintragungshindernde.
Rz. 20
Als solche Tatsachen sind bspw. angesehen worden das Fehlen der Geschäftsfähigkeit, der Widerruf oder die Aufhebung der Auflassung, die Nichtwahrung der Vollziehungsfrist bei einer eingetragenen Vormerkung für eine Bauhandwerker-Sicherungshypothek. Weiter sind Einschränkungen der Bewilligungsmacht des Rechtsinhabers im Insolvenzverfahren (§ 80 Abs. 1 InsO) bei entsprechender Kenntnis von Amts wegen zu beachten, auch wenn die Beschränkungen nicht eingetragen sind.
Der Bodenrichtwert oder ein anderes Wertgutachten kann zum Nachweis der fehlenden (Voll-)Entgeltlichkeit einer Vorerbenverfügung berücksichtigt werden.
Rz. 21
Dieser unwidersprochene Ansatz führt aber zu zwei Folgefragen, die in dogmatischer Hinsicht nicht hinreichend diskutiert wurden:
Rz. 22
Einmal ist nämlich aufgrund des formellen Konsensprinzips (Bewilligungsgrundsatz, § 19 GBO) ein gewisses Potential an Grundbuchunrichtigkeit dem System Grundbuch immanent: Das GBA muss ja, außer in Fällen der Auflassung (§ 20 GBO), das Vorhandensein einer zumindest bedingten Einigung bzw. die Möglichkeit einer künftigen Einigung nicht prüfen. Das Grundbuchverfahren nimmt also eine aus der Prüfungsbeschränkung folgende Unrichtigkeit bewusst in Kauf: Selbst sichere Kenntnis des GBA von der fehlenden Einigung kann deswegen der Eintragung nicht entgegenstehen, zumal schon materiell-rechtlich die Einigung nachfolgen kann (§ 879 Abs. 2 BGB). Es genügt also jedenfalls nicht allein Kenntnis von der fehlenden Einigung – auch deren Nachholung muss sicher ausgeschlossen sein.
Rz. 23
Die Sicherheit des Verfahrens geht in der Bewertung des Gesetzgebers der Richtigkeit des Grundbuchs vor, was sich daraus ergibt, dass der Gesetzgeber bewusst auf den Nachweis der dinglichen Einigung (§ 873 BGB) außerhalb des § 20 GBO verzichtet hat. Aus dem gleichen Grund hat der Gesetzgeber für die gegenüber unrichtigen Bewilligungen viel unwichtigere bloße Rücknahme des Eintragungsantrags die Form des § 29 GBO vorgeschrieben. Eine Lösung dieser Konstellation darf diese Wertung nicht außer Acht lassen. Aufgrund bloßer Behauptungen könnten anderenfalls schwebende Verfahren endlos verzögert oder zu Unrecht gefährdet werden. Solche Behauptungen müssen daher unbeachtlich bleiben.
Rz. 24
Der Eintragung entgegenstehende Bewilligungen können daher wohl nur dann mit Sicherheit verwendet werden, wenn sie offen- oder aktenkundig sind. Ihre Verwendung ist andererseits dann mit Sicherheit unzulässig, wenn die Behauptungen der Beteiligten dadurch unglaubwürdig erscheinen, dass sie sich von vornherein widersprechen oder nicht eindeutig durch die Umstände des Einzelfalls bestätigt werden.
Rz. 25
Vereinzelt wird ein Nachweis der eintragungshindernden Tatsache durch eidesstattliche Versicherung für möglich gehalten. Das ist eine widersprüchliche Rechtsanwendung, denn üblicherweise wird einer eidesstattlichen Versicherung des Antragstellers nur in Sonderfällen eine zusätzliche Beweiskraft zur Untermauerung seines Antrags zuerkannt.
Rz. 26
Zum anderen geht es bei den praxisrelevanten Fällen der Hinderungsgründe um solche Tatsachen, die sich positiv wie negativ einer urkundlichen Beweisführung entziehen: Geschäftsfähigkeit des Bewilligenden/Entgeltlichkeit der Vorerben- oder Testamentsvollstreckerverfügung/Vermögensstand im Rahmen des § 1365 BGB. Wer in diesen Fällen die Herabsetzung des Formgebots mit der sonst bestehenden Beweisnot des GBA rechtfertigt, muss sich vergegenwärtigen, dass er damit nur den Antragsteller in Beweisnot bringt: Der kann die Bedenken des GBA auch nicht in der Form des § 29 GBO zerstreuen.
Rz. 27
Bei Erbnachweisen aufgrund öffentlicher Verfügungen von Todes wegen (§ 35 Abs. 1 S. 2 GBO) und bei Erklärungen zu Bestandsveränderungen im Kreis der Gesellschafter einer GbR (vor Inkrafttreten des MoPeG) behilft sich die Rspr. mit der Zulassung eidesstattlicher Versicherungen, die dann aber notariell beurkundet sein müssen. Das wahrt zugleich die Form des § 29 GBO.
Rz. 28
Die obergerichtliche und höchstrichterliche Praxis begegnet diesen Problemen vorrangig mit der Statuierung tatsächlicher Erfahrungssätze, die das GBA bei der Rechtsanwendung zugrunde legen müsse, und einer stetigen Heraufsetzung des Wahrschei...