a) Kraftloserklärung des Erbscheins
Rz. 62
Weiß das GBA, dass der Erbschein für kraftlos erklärt oder eingezogen worden ist, so hat es den gestellten Antrag zurückzuweisen oder einen anderen Erbschein zu verlangen. Jedoch genügt nicht, dass ein bloßer Einziehungsantrag von einem der Beteiligten gestellt worden ist, da hier keine Überprüfungsmöglichkeit besteht, ob dieses Verlangen zu Recht erhoben worden ist. Die Einziehung macht den Erbschein auch dann verfahrensuntauglich, wenn der Grund der Einziehung den Nachweis der Erbfolge an sich verstärken sollte.
Rz. 63
Eine darüber hinausgehende materiell-rechtliche Prüfungsmöglichkeit hat das GBA grundsätzlich nicht. Es ist an die Beurteilung der Formgültigkeit eines Testaments durch das Nachlassgericht gebunden, ebenso an die Auslegung von letztwilligen Verfügungen durch das Nachlassgericht. Die Verantwortung für die Richtigkeit des Erbscheininhalts trägt grundsätzlich das Nachlassgericht. Das GBA ist weder berechtigt noch verpflichtet, in eine sachliche Prüfung des amtlichen Papiers einzutreten. Das zeigt sich gerade an § 35 GBO: Der Erbe hätte sonst keine Möglichkeit, sich als Berechtigter im Grundbuch eintragen zu lassen, da ihn das GBA über die verweigerte Anerkennung des Erbscheins keine Legitimationsdokumente erteilen könnte. Erweist sich der Erbschein nachträglich als unrichtig, so haftet das GBA nicht, sofern die Unrichtigkeit nicht bekanntgeworden ist oder bei gehöriger Aufmerksamkeit ihm hätte bekannt werden müssen. Lässt sich nicht feststellen, dass die Unrichtigkeit bei gehöriger Aufmerksamkeit dem GBA nicht hätte entgehen können, so hat dies für die Rechtswirksamkeit des Vollzugs keinerlei Folgen. Eine Gesetzesverletzung (§ 53 GBO) liegt nicht vor.
Rz. 64
Die z.B. geäußerte Ansicht, dass das GBA den Erbschein zurückweisen könne, wenn seine Erteilung gefestigter Rechtsauffassung widerspreche, ist abzulehnen. Die Verantwortung trägt allein das Nachlassgericht. Außerdem können die Auffassungen darüber, was als solche Rechtsauffassung zu bezeichnen ist, sehr auseinandergehen, wodurch eine weitere Rechtsunsicherheit für die Beteiligten entstehen würde. Auch ist allein das Nachlassgericht, nicht das GBA, Adressat für Einwände gegen die Richtigkeit des Erbscheins (mit daran gekoppeltem Instanzenzug).
Rz. 65
Die Auffassung, dass das GBA in einem solchen Fall selbst die Richtigkeit des Erbscheins überprüfen könne und dürfe und zu diesem Zweck die Akten des Nachlassgerichts beiziehen dürfe, setzt das GBA an die Stelle des Nachlassgerichts und verletzt damit den Grundgedanken des Grundbuchrechts, dem GBA sichere und klare Verfahrensunterlagen zu beschaffen.
Rz. 66
Die Tatbestandswirkung des Erbscheins bzw. dessen bindende vorgreifliche Feststellungen gilt aber spiegelbildlich auch für einen Erbprätendenten. Dieser kann vom GBA nicht die Eintragung einer vom Erbschein abweichenden Erbfolge verlangen.
b) Berücksichtigung besseren Wissens des GBA
Rz. 67
Umstritten ist das Verhalten des GBA, wenn ihm nachträglich neue, dem Nachlassgericht bei Erteilung des Erbscheins unbekannt gewesene Tatsachen positiv bekannt werden, welche der sachlichen Richtigkeit des Ausweises entgegenstehen und von denen das GBA annehmen muss, dass bei ihrer Kenntnis das Nachlassgericht den erteilten Erbschein einziehen werde. Die Rspr. hält das GBA zur Überprüfung für berechtigt und verpflichtet. Teils wird angenommen, der Erbschein komme dann als Grundlage einer Eintragung nicht mehr in Betracht.
Rz. 68
Gegen die Auffassung, das GBA könne in diesem Fall den Erbschein nicht mehr zugrunde legen und müsse den gestellten Antrag ablehnen, bestehen jedenfalls dann Bedenken, wenn nicht, wie in dem entschiedenen Fall, die Einziehung des Erbscheins durch das Nachlassgericht vollständig sicher ist.
Rz. 69
Auch gegen die Auffassung, das GBA dürfe den vorhandenen Erbschein nicht mehr für eine Entscheidung zugrunde legen, sondern müsse – offenbar durch Zwischenverfügung – die Vorlage eines neuen Erbscheins verlangen,